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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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suchte sich eine aus. »Ist die gut?«
    Es war das Haydn-Celloquartett. »Ich mag sie.«
    »Können wir sie abspielen, während wir – wieder ins Bett gehen?«
    »Für zehn Minuten, dann ist sie zu Ende.«
    »Dann geht sie eben zu Ende.«
    »Sie macht dann tschk-tacka, tschk-tacka.«
    Sie verzog das Gesicht zu einem Schmollen, verärgert, dass sie nicht bekam, was sie wollte. »Dummes Ding«, sagte sie.
    Sie fuhren am verdunkelten Kopenhagen vorbei, dann an den Lichtern von Malmö. Eine Zeit lang beschattete sie ein schwedisches Patrouillenboot und rückte ihnen ein wenig zu sehr auf die Pelle, drehte dann aber, ohne sie aufzubringen, plötzlich wieder ab. Vermutlich nahmen sie an, die Santa Rosa befördere Kriegsmaterial nach Kiel oder Rostock hinunter, und sie hegten wenig Neigung, ihre deutschen Nachbarn zu irritieren, die über die Meerenge zu ihnen herüberstarrten. De Haan war zu dem Zeitpunkt, nach Mitternacht, schon wieder auf der Brücke, wo er an sie dachte und an sie dachte, vor allem Wieso ausgerechnet jetzt -Gedanken und wieso die Welt mit einer Hand gab und mit der anderen nahm.
    Kurz danach umrundeten sie die schwedische Küste und liefen in die Ostsee ein, und das, ein kleines Wunder, pünktlich nach Plan. Nein, dachte er, kein Wunder. Harte Arbeit wohl eher. Kovacz unten im Maschinenraum, der die Noordendam auf ihrer Elf-Knoten-Spitzenleistung hielt. Indem er einen Kleinkrieg mit dem klapprigen Rohrsystem führte, es an den Kniestücken flickte, wo der Dampf gern herausschoss und versuchte, jemanden zu versengen, und sein ganzes Herzblut in das Heben und Senken der Messingkolbenstangen legte. Es sollte einen Orden für sie geben, für Kovacz und seine Heizer und Schmierer, oder eine lobende Erwähnung in den Kriegsberichten. Aber natürlich würde es nichts dergleichen geben, weil es für diese Art von Arbeit keine Berichte gab. Vielleicht ein stummes Lächeln von Hallowes, das sie nie persönlich sehen würden. Dafür eine letzte, trockene Mitteilung vom NID, dachte De Haan, einen Zielhafen, dann Schweigen.
    Ratter war draußen auf der Nock und schoss, seinen Gothic-Sextanten mit künstlichem Horizont gen Himmel gerichtet, seine Sterne, denn sie mussten 55 ° 20' N sowie den Längengrad haargenau treffen. Auch Ratter verdiente einen Orden. Andromedae, Ceti, Eridani, Arietis, Tauri, Ursae Majoris, Leonis, Crucis und Virginis  – genau wie Odysseus, Schutzpatron jedes Kapitäns, der so wenig gewitzt war, dass er sich im Ägäischen Meer verirrte. Ratter las nochmals ab und sah dann auf sein Jahrbuch: »Korrekturen für den oberen und unteren Rand des Mondes.« Wenigstens waren bei vereinzelten, vom Mond beschienenen Wolkenfetzen die Sterne zu sehen. Eine pechschwarze Nacht und peitschender Regen wären willkommen gewesen, nur dass sie dann nie ihre Position gefunden hatten. So aber waren sie in dieser zarten, sommerlichen Dunkelheit zu sehen, und das war weniger gut.
    »Johannes?«
    »Ja.«
    »Kriegst du, was du brauchst?«
    »So ziemlich, ja.«
    »Wie machen wir uns?«
    »Gut. Wir sind kurz vor Kuba.«
    21. Juni, 02.50 Uhr. Vor Smygehuk.
    Die Noordendam fuhr jetzt abgedunkelt. Und lautlos – ohne Klingel, die Besatzung zum Schweigen verpflichtet, der Motor auf langsame Fahrt, die See spiegelglatt. Eine Meile vor Backbord ein vereinzeltes Fischerdorf, ein paar blasse Lichter im Dunst, danach nur noch Nacht an einer verlassenen Küste.
    Auf der Brücke De Haan und Ratter, der Vollmatrose Scheldt draußen auf der Nock, eine grüne Signallampe an der Seite, während Van Dyck mit einer Crew an der Ankerwinde wartete. De Haan sah auf die Uhr, er musste noch wenige Minuten warten und nutzte die Gelegenheit, um durch das neu installierte Sprachrohr bei Mr. Ali nachzufragen: »Keine besonderen Vorkommnisse?«
    Alis Stimme klang aufgeregt. »Und ob, Herr Kaptän, und ob. Alle Welt sendet im Moment sämtliche Frequenzen rauf und runter – kaum macht einer Schluss, fängt der andere an.«
    Ratter hörte den Ton, konnte aber nichts verstehen. »Was ist da los?«
    »Reger Funkverkehr«, sagte De Haan. Und dann zu Ali: »Irgendwas in Klartext?«
    »Ein paar Brocken auf Deutsch, vielleicht Hafenboote. Aber chiffriert, du liebe Güte! Und schnell, Herr Kaptän, da kommt eine Menge zusammen, was da gesendet wird.«
    »Irgendeine Ahnung, wo es herkommt?«
    »Wie soll ich das wissen? Aber es sind starke Signale, könnte also aus Deutschland sein.«
    Was hat das zu bedeuten? Etwas Unvorhergesehenes, nur so viel

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