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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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lass mich nicht gefangen nehmen, Eric.«
    De Haan ließ das Fernglas sinken und erwiderte Kovacz' Blick. »Immer langsam erst mal. In Ordnung?«
    »Nur damit du Bescheid weißt.«
    Als er ging, rief De Haan dem Ausguck an der Steuerbordnock zu: »Holen Sie Mr. Ratter auf die Brücke, und finden Sie den Vollmatrosen Amado und bringen Sie ihn rauf. Schnell!« Der Matrose glitt mit beiden Händen das Geländer des Niedergangs hinunter und war so in drei Sprüngen unten. Derweil vom Backbordausguck: »Sie morsen wieder, Herr Kaptän.«
    »Na schön, holen Sie die Aldislampe und antworten Sie, ›Santa Rosa, Valencia‹, aber lassen Sie sich Zeit.«
    »Jawoll, Herr Kaptän. Ich kann das nicht sehr schnell.«
    »Gut. Und verwechseln Sie die Buchstaben.«
    »Verlassen Sie sich drauf.«
    Schon unter einer Meile und immer näher. De Haan sah auf die Uhr. 12.48. Auf der M 56 Matrosen, die an Deck herumliefen, und ein Offizier, der mit dem Fernglas über die ganze Länge der Noordendam schwenkte. Die Crew in voller Uniform – manche in Marinemannschaftsmützen, fast Baretts, mit Bändern an der Rückseite – und der Offizier, blaue Jacke und Hose, weißes Hemd, schwarze Krawatte. Auf diesem klobigen, alten Kohlepott? De Haan gefiel die Sache nicht. Aus dem Sprachrohr, das ihn mit dem Funkraum verband, dreimaliges Klicken von Mr. Ali. De Haan nahm das Rohr und sagte: »Ja?«
    »Soll ich etwas melden?«, fragte Ali.
    »Nein, bleiben Sie auf Empfang.«
    Als De Haan das Sprachrohr einhakte, kam Ratter zum Schott hereingerannt. Offenbar hatte er gerade geduscht; sein Haar war nass, das Hemd hing ihm aus der Hose, und er hatte nackte Füße. De Haan ertappte sich dabei, dass er auf die Augenklappe starrte – war sie trocken? Nahm er sie zum Duschen ab? Ratter hob sein Fernglas, richtete es auf das deutsche Schiff und ließ im Flüsterton einen Fluch vom Stapel. »Die haben ein Stoppsignal gehisst«, sagte er.
    De Haan sah, dass es stimmte. »Geh runter in den Kartenraum, Johannes, und hol die Minenfeldkarten aus der dritten Schublade im linken Schränkchen, ist in die Karte für den Moçambique-Kanal geschoben.«
    »Wenn wir sie verbrennen, kommen wir nie wieder raus.«
    »Ich weiß. Aber verstecke sie irgendwo – in einem Lüftungsrohr oder so was in der Art.«
    »Befinden wir uns nicht in schwedischen Gewässern?«
    »Würdest du das bitte sofort erledigen?«
    »Wieso brechen wir nicht zur Küste aus?«
    »Jetzt?«
    Als Ratter ging, erschien Kees, gefolgt von dem Matrosen und Amado, der bleich und verängstigt aussah. De Haan schob den Maschinentelegrafen auf Stopp. »Glauben Sie, er will uns aufbringen?«, fragte Kees.
    »Hat er bereits. Wir warten auf ihn.«
    Von Kees der Seufzer eines Mannes, der die ganze Zeit gewusst hatte, dass so etwas passieren würde. Der Maschinentelegraf bestätigte die Order anzuhalten, und De Haan hörte, wie der Motor ausging. »Dann kommt also Amado noch mal zum Zuge«, sagte Kees.
    »Gib ihm ein paar Antworten – wir haben noch ein paar Minuten. Wir kommen in Ballast aus Riga, wo wir portugiesische Baumwolle und Jutesackgut gelöscht haben. Und wir sind auf dem Weg nach Malmö rauf, um eine Schnittholzladung aufzunehmen.«
    »Können's ja mal versuchen«, sagte Kees. »Vielleicht haben wir ja ein zweites Mal Glück.« Seine Stimme verriet allerdings, dass er nicht daran glaubte.
    »Vielleicht.«
    Kees schüttelte sehr bitter und niedergeschlagen den Kopf. »Farbe und eine Flagge«, sagte er. »Nicht eben viel.«
    »Nein«, sagte De Haan. »Nicht viel.«
    Bei ausgeschaltetem Motor begann die Noordendam, Fahrt zu verlieren und sanft auf den Wellen zu schaukeln. Farbe und eine Flagge. Natürlich hätte der NID mehr tun können, hatte er aber nicht. Denn welche heimlichen Vorrichtungen hätten wohl helfen können, wenn die Noordendam mit ihrer geheimen Fracht erwischt worden wäre? Und jetzt, wo sie ihre Mission erfüllt hatten, war es egal, was aus ihnen wurde. Sie mussten nur die Klappe halten. Würden sie das? Einundvierzig Seelen, Maria Bromen und S. Kolb?
    Kees hatte Amado in eine Ecke des Brückenhauses mitgenommen und erklärte ihm langsam und eindringlich, was er sagen sollte. Amado ruckte mit dem Kopf auf und ab – ja, er hätte verstanden –, doch er war offensichtlich in Panik. De Haan richtete sein Fernglas auf die M 56, deren Offizier jetzt an der Reling stand. Er war jung, in den frühen Zwanzigern, das Kinn in einen bestimmten Winkel gehoben, der Rücken steif wie ein Brett.

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