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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Während De Haan ihn beobachtete, legte er beide Hände an seine Offiziersmütze und stellte sicher, dass sie gerade saß.
    Die M 56 lag jetzt, Motor im Leerlauf, an ihrer Backbordseite. Ein Matrose saß hinter der eisernen Schutzvorrichtung, in die ein langläufiges Maschinengewehr eingelassen war. Als der Offizier, das Megafon in der Hand, an die Reling trat, führten Kees und De Haan Amado, der jetzt die Kapitänsmütze trug, zur Nock hinaus, dann aufs Deck hinunter, wo De Haan ihm ihr eigenes Megafon reichte.
    »Wie lautet Ihr Bestimmungsort?« Der Satz auf Deutsch schallte übers Wasser.
    » Habla usted español?« De Haan konnte ihn kaum hören. Amado suchte nach dem Schalter, fand ihn, knipste das Gerät ein und versuchte es noch einmal.
    Der Offizier ließ den Trichter einen Moment lang sinken, um ihn gleich wieder an den Mund zu heben und seine Frage zu wiederholen – langsamer und nachdrücklicher diesmal. So ging man mit Ausländern um, man musste sie dazu bringen, einen zu verstehen.
    Amado allerdings zeigte sich wenig beeindruckt und fragte erneut zurück, ob der Offizier Spanisch spreche.
    Der nahm seinerseits De Haan und Kees lange ins Visier und fragte dann: »Kann einer Ihrer Offiziere Deutsch?«
    Was? Amado schüttelte den Kopf und breitete die Hände aus.
    Der Mann zeigte auf Kees, indem er zum Nachdruck drei-, viermal mit dem Finger in die Luft stieß und schließlich rief: »Offizier, Offizier.«
    Kees streckte eine Hand aus, und Amado gab ihm das Megafon.
    »Unterwegs nach Malmö«, sagte er auf Deutsch.
    »Wer sind Sie?«
    »Der Zweite Offizier.«
    »Was war Ihr letzter Hafen?«
    »Riga.«
    »Was für eine Ladung führen Sie?«
    »In Ballast.«
    Und jetzt lass uns alle weiterfahren.
    Der Offizier hielt das Megafon an der Seite und warf einen langen, nachdenklichen Blick auf den Frachter, vom Bug zum Heck und wieder zurück. Dann rief er: »Bereithalten«, und ging zum Brückenhaus. Er war, dachte De Haan, der Seeoffizier der M 56 und wollte auf der Brücke mit dem Kommandanten Rücksprache halten. Konnte er ihre Geschichte irgendwie überprüfen? De Haan bezweifelte es – die Russen hatten vor einem Jahr Lettland besetzt und würden es, wenngleich offiziell mit Deutschland verbündet, nicht allzu eilig damit haben, Fragen zu beantworten. Und die M 5 6 konnte sich nicht einfach so mit dem Hafen in Riga in Verbindung setzen – dazu wäre ein langer Weg durch die Zuständigkeitsebenen der Kriegsmarineverwaltung zurückzulegen.
    »Was macht er?«, fragte Kees.
    »Mit seinem Kommandanten streiten. Er will entern.«
    »Wieso sollte er?«
    De Haan lächelte. »Wo soll ich anfangen? Beim Schulkind und von da an weiter? Es läuft alles darauf hinaus, wer er ist. War schon immer so.«
    »Aber wir sind in schwedischen Gewässern«, sagte Kees. »Man kann Falsterbo sehen. Sollen wir ihm das vielleicht sagen?«
    »Ich glaube, das ist ihm ziemlich egal.«
    »Mistkerle.«
    Auf der M 56 starrten die Matrosen, die meisten von ihnen noch keine zwanzig, neugierig zur Santa Rosa und den drei Männern an Deck herüber, die ihrem Vorgesetzten zu Diensten waren.
    »Wie lange sollen wir hier rumstehen?«, fragte Kees.
    »Bis er sich entschieden hat, was er tun will.«
    Schließlich trat ein älterer Mann in Offiziersuniform und mit einem gepflegten Graubart aus dem Brückenhaus. Aus dem Ruhestand zurückberufen? Auf einem Minenräumer mit einer halbwüchsigen Crew hängen geblieben. De Haan erwiderte seinen Blick und dachte, Handelskapitän? Schüttelte er den Kopf? Nur so eben? Kann nichts mit ihm anfangen? Nein, vermutlich nicht, vermutlich reine Einbildung. Der Mann kehrte auf die Brücke zurück, und einen Moment später erschien der junge Offizier an der Reling, offensichtlich stolz und mit sich zufrieden, nunmehr mit einer Pistole im Halfter ausgestattet, den er an einem Stoffkoppel um die Taille trug. Er hob das Megafon an die Lippen und rief mit lauter Stimme: »Bereithalten für Enterkommando.«
    »Schicken Sie Amado nach unten«, sagte er zu Kees. »Dann gehen Sie in den Funkraum und sagen Ali, er soll die chiffrierte Meldung senden, zwei Mal, und das Papier verbrennen. Dann stecken Sie den BAMS-Code in die beschwerte Tasche und werfen sie Steuerbord ins Wasser.«
    »Das sehen sie!«
    »Stecken Sie's unters Hemd, auf der ihnen abgewandten Seite.«
    »Und wenn sie es rausbekommen?«
    »Dann werden Sie erschossen.«
    Sie waren, wie er sah, gut gedrillt und eingespielt. Zwei von ihnen blieben in ihrem

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