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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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ein Loch durchschlug.
    De Haan kam schnell hoch und sagte: »Gib mir dieses gottverdammte Ding«, und griff nach dem Maschinengewehr. Ratter reichte es ihm in dem Moment, als Kovacz von unten brüllte: »Du verfluchter Vollidiot! Das war der verdammte Kapitän, den du gerade erschossen hast.«
    Während De Haan und die anderen die Leiter zum Maschinenraum hinunterstiegen, wartete Kovacz an der untersten Sprosse auf sie und sah ihnen in seinem schwarz verschmierten Hemd sehr erleichtert entgegen. »Wo hast du nur gesteckt?«, fragte De Haan.
    Kovacz wies mit dem Kopf auf die verschattete Ecke hinter den Kesseln und Rohren und verrosteten Maschinen, die während einer früheren Reparaturmaßnahme dort ausgemustert worden waren. »Da hinten«, sagte er. »Ganz schön lange. Aber irgendwann war ich es Leid, also …« Er betrachtete seine Crew, zwei Schmierer und einen Heizer, die hinter ihn getreten waren, und zuckte die Achseln – was wir getan haben, ist nun nicht zu ändern.
    De Haan sah, was er meinte – einer der deutschen Matrosen saß mit dem Rücken an eine Stütze gelehnt, die Fußgelenke mit Draht umwickelt, während der andere leblos flach auf dem Boden lag, seine Kappe in einem seltsamen Winkel auf dem Kopf.
    »Sehen Sie ihn sich an, wenn Sie wollen«, sagte Kovacz zu Shtern.
    Shtern ging zu dem Mann und legte ihm zwei Finger an die Stelle am Hals, wo sein Puls gewesen wäre.
    »Er hat sich umgedreht, als ich da rauskam«, sagte Kovacz. »Und Boda hat ihn erwischt.«
    »Das kann man wohl sagen.« Shtern zog seine Finger zurück und starrte auf den Mann, dessen Kappe jetzt Teil seines Kopfes war. »Womit?«
    Boda trat vor. Ein bulliger Heizer mit geblümtem Hemd und an den Schultern abgerissenen Ärmeln griff in seine Hosentasche und zeigte ihnen einen Socken, der von dem Gewicht vorn im rund ausgebeulten Zehenteil schwer nach unten hing – der Ballast stammte aus einem Kugellager.
    »Der andere hatte sich hinter der Werkbank versteckt«, sagte Kovacz. »Er hatte ein Gewehr, aber wir haben uns ein bisschen mit ihm unterhalten, und er gab am Ende auf. Er ist ein zum Militärdienst eingezogener Serbe. Volksdeutscher, aber deshalb hatte er noch lange keine Lust, für Deutschland zu sterben.«
    »War der das am Sprachrohr eben?«, fragte De Haan.
    Kovacz nickte. »Ich hab ihn dazu gezwungen. Als das Signal kam, dachte ich, die hätten noch die Brücke.«
    »Und wer war der Scharfschütze?«
    »Ich war gerade dabei, ein Ventil zu lockern«, sagte Kovacz, »deshalb hab ich Flores das Gewehr gegeben.«
    Flores warf De Haan ein unsicheres Lächeln zu – teils zur Entschuldigung, teils aus Stolz. Er war einer der spanischen, republikanischen Kämpfer, die mit Amado an Bord gekommen waren.
    »Sie waren im Krieg, Flores?«
    »Drei años , Sir. Rio Ebro, Madrid.«
    Ein Scharfschütze an Bord. Er hatte in Sekundenschnelle gezielt und geschossen, und nur ganz knapp vorbei.
    »Wie habt ihr euch da oben denn befreit?«, fragte Kovacz.
    De Haan erzählte es ihm und fügte hinzu: »Der Plan stammt von Kolb. Und ich habe den Funkraum eingenommen, bleiben also noch zwei von denen, die die Crew bewachen.«
    »Die können warten«, sagte Kovacz. »Jetzt ist erst mal das Patrouillenboot dran.« Er sah auf die Uhr und rieb sich mit dem Daumen die Schmiere aus dem Gesicht – alle paar Minuten kamen sie der deutschen Küste eine Meile näher.
    »Was würdest du tun, Stas?«
    »Bloß da wieder rein, war alles, woran ich denken konnte. Und, dass wir uns vielleicht davonmachen können. Einfach so. Der Serbe war nur Küper, aber er sagt, die M 56 macht zehn Knoten, was ich mir vorstellen kann. Wenn wir nun das Sicherheitsventil schließen und auf die Weise dreizehn aus ihr rausholen würden, vielleicht sogar mehr, dann würden die ihre Granaten erst abfeuern, wenn sie es merken. Nicht sofort, immerhin sind ihre Leute bei uns an Bord, also werden sie es erst mal über Funk, mit Megafon, mit Signalflaggen versuchen. Das braucht Zeit, vielleicht zu viel Zeit, wegen des Wetters, Sicht gleich null, und weil wir noch einen Trick auf Lager haben.«
    »Was für einen Trick?«
    »Rauch.«
    Natürlich. »Du meinst, die Luftklappen an den Heizkesseln schließen.«
    »Die produzieren eine Menge Rauch – dicht und schwarz.«
    Rauch war im Ersten Weltkrieg eine wirksame Taktik auf See gewesen – ein Zerstörer mit einem Raucherzeuger konnte ihn meilenweit hinter sich verbreiten und sich zu Nutze machen wie die Infanterie einen

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