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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Blick, schubste Cornelius dann energisch beiseite, so dass er am Schott vorbeistolperte. In drei langen Schritten war De Haan am geöffneten Eingang zur Messe, fand den deutschen Matrosen, richtete die Pistole auf ihn und drückte ab. Es war ein Spannabzug, so dass der Schuss nicht sofort kam, und in diesem Bruchteil einer Sekunde erkannte De Haan, dass der Mann nicht das Monster war, als das Cornelius ihn beschrieben hatte – sicher, er hatte einen Hitler-Schnauzbart, aber das war auch schon alles. Groß und dünn und nervös saß er da und hielt das Gewehr quer über den Schoß. Als er sah, was De Haan vorhatte, ging sein Mund auf, und als es blitzte, schrie er gellend und warf das Gewehr von sich, während ihm Blut das Gesicht herunterlief.
    Danach herrschte ein ziemliches Gewühl – die Offiziere rappelten sich hoch, Kees schnappte sich das Gewehr, Poulsen und Ratter schnappten sich den Matrosen – vor allem, weil er sie gefangen gehalten hatte, denn so, wie er mit geschlossenen Augen nach Atem rang, stellte er keine Bedrohung mehr dar. Er würde sterben, dachte er. Doch da irrte der Mann – De Haan hatte auf sein Herz gezielt, ihm aber nur ein Stück vom linken Ohr gekappt.
    21.40 Uhr. In See.
    Sie hielten jetzt die Brücke und das Oberdeck des Schiffs. Fünfeinhalb Stunden von Warnemünde, der Maschinenraum und die Mannschaftsquartiere immer noch in der Hand der vier übrigen Matrosen von der M 56. De Haan sah Maria Bromen nur für einen Moment in der Messe, als sie mit den Füßen stampfte und die Beine massierte, um den Kreislauf wiederzubeleben. »Du hast das Schiff?«, fragte sie.
    »Einen Teil davon.«
    »Was hast du jetzt vor?«
    »Den Rest zu übernehmen und dann zu sehen, was wir mit dem Minenräumer machen. Wir müssen mit Granatenbeschuss rechnen, ich möchte daher, dass du in meiner Kabine bleibst, und halte dich bereit für die Rettungsboote. Geh beim ersten Einschuss raus und warte da.«
    »Ist das dein Plan?«
    »Nur eine Möglichkeit. Im Dunkeln kann eins der Boote vielleicht entkommen und es nach Schweden schaffen.«
    »Besser, als zu folgen wie Schafe«, sagte sie.
    Inzwischen hatte Shtern das Unterhemd des Bewachers in Streifen gerissen und sein Ohr bandagiert. De Haan trug ihm auf, zusammen mit Poulsen in der Messe zu bleiben, und brachte den deutschen Matrosen zur Brücke hoch. Als er sichergestellt war, gab De Haan Mr. Ali die Automatik und wies ihn an, mit dem deutschen Signalgast in den Funkraum zu gehen. »Er wird die Verbindung mit dem Minenräumer wieder aufnehmen«, sagte De Haan. »Erschießen Sie ihn, wenn er uns verrät.«
    »Wie soll ich das erkennen, Herr Kaptän?«
    »An den Kanonenschüssen.« Dann übersetzte er dem deutschen Signalgast die Anweisung, und die beiden verließen die Brücke. Jetzt galt es, noch eine Pflicht zu erfüllen, und De Haan und Ratter rollten Schumpel in ein Stück Segeltuch – der traditionelle Sarg auf See –, verschnürten die Enden mit einer Leine und schleiften ihn auf die Backbordseite des Decks hinaus. Einen Moment lang zogen sie eine sofortige Seebestattung in Betracht, doch die Eisengewichte, die für eine solche Zeremonie gewöhnlich verwendet wurden, waren im Maschinenraum, und sie wollten nicht, dass er an den Ausgucken der M 56 vorbeischwamm. Nachdem sie Xanos und Cornelius in die Messe hinuntergeschickt hatten, um die dortige Reserve zu verstärken, blieben De Haan, Ratter und Kees auf der Brücke.
    »Als Nächstes der Maschinenraum«, sagte De Haan. »Und dann das Mannschaftsquartier.«
    »Deine Pistole und das Gewehr sind in einem Lüftungsrohr versteckt«, sagte Ratter. »Zusammen mit den Minenfeldkarten. Sobald ich sie geholt habe, verfügen wir über eine Pistole, zwei Gewehre und eine Maschinenpistole. War der Signalgast bewaffnet?«
    »Nein.«
    »Also, wir machen uns mal besser auf den Weg. Ich war für einen Nachmittag ihr Gefangener, das hat mir gereicht.«
    Als er gegangen war, sagte De Haan zu Kees: »Was können wir mit dem Minenräumboot machen? Entern? Rammen?«
    »Wir können es nie im Leben rammen – es ist zu wendig. Und wir würden im Nu ein Dutzend Granaten abbekommen, und in zwanzig Minuten wären Jäger am Himmel. Und entern – ich weiß nicht, wie wir mit dem Beiboot nahe genug herankommen wollen. Sie haben einen Suchscheinwerfer, und Maschinengewehre. Das wäre glatter Selbstmord, De Haan.«
    Nach zehn Minuten traf Ratter mit dem Waffenarsenal ein. Kees nahm die Enfield, Ratter das Maschinengewehr, De

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