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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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ihr. Sollte vielleicht eine Zeremonie für solche Dinge geben.«
    »Für das Verbrennen eines Passes?«
    »Ja. Vielleicht haben die Juden was.«
    Er setzte sich neben sie und legte ihr eine Hand aufs Fußgelenk.
    »Eine Staatenlose also«, sagte sie.
    »Du brauchst einen Namen und eine Geschichte.«
    »Der Name wird Natalija lauten, denke ich. Natalija Pavlowa, wie eine Ballerina.«
    »Und wir haben uns in Tanger getroffen?«
    »Gott sei Dank. Ehemann hat mich verlassen. Französischer Ehemann. Tunichtgut.«
    »Du hast dir die Geschichte schon zurechtgelegt.«
    »Oh ja, eine lange Geschichte. Ich bin gut in so etwas, mein Liebster.«
    07.15 Uhr. In See.
    Keine Suchflugzeuge. Nur ein Schwarm zurückkehrender Bomber brach aus der aufgehenden Sonne hervor – die Männer an Deck legten die Hände über die Augen und verfolgten sie am Himmel. Am Ende der Formation ein Nachzügler, der viel tiefer flog und eine Rauchfahne aus seinem Triebwerk hinter sich herzog, während der Propeller sich träge in der Brise drehte.
    Wo blieben die Suchflugzeuge? Bis Mittag waren sie immer noch nicht da. Vielleicht hatte der Kommandant des Minenräumers, um seine eigene Haut zu retten, gemeldet, er habe die Noordendam versenkt, oder die Suchflugzeuge hatten andere Befehle, nachdem die Invasion begonnen hatte. Oder sie suchten sie vielleicht im Norden. Viel Spekulation auf der Brücke, doch niemand erschien. Dann, dachte De Haan, könnten wir es gerade bis Liepaja schaffen, und er machte sich an die Planung. »Du solltest besser die Minenfeldkarten verbrennen«, sagte er zu Ratter. »Und sag den Offizieren, sie sollen zu einer Besprechung in die Messe kommen. In einer Stunde.«
    Wo sie sich eine Geschichte zurechtlegten, die sie anschließend der Mannschaft weitererzählten. »Wir könnten eine ganze Weile hier bleiben«, sagten sie. »Passt also auf, was ihr sagt.«
    17.40 Uhr. Vor Liepaja.
    Sie hatten den Vorposten der russischen Patrouillenboote passiert, waren aber immer noch weit draußen, als sie Liepaja sahen. Nicht den Hafen selbst, sondern eine braune Rauchsäule, die hoch in die Luft aufstieg, eine Säule, die offenbar unerschöpfliche Nahrung bekam, so dick und kräftig quoll der Rauch. De Haan funkte ans Hafenbüro, und zwei russische Marineschlepper kamen heraus und nahmen sie ins Schlepptau, bis sie das Schiff im Handelshafen an einem Steinkai angedockt hatten, hinter dem sich neben einer riesigen Traktorenfabrik Getreidesilos aneinander reihten. Auf dem Fabrikdach hatten Soldaten zwei Flugabwehrgeschütze installiert und waren dabei, einen Wall aus Sandsäcken ringsum aufzustapeln. Und als sie am Militärhafen vorbeikamen, sahen sie einen kleinen Teil der sowjetischen Ostseeflotte – Zerstörer, Minenleger, Tender und einen leichten Kreuzer unter Dampf. »Siehst du die Geschütztürme?«, fragte Ratter, der neben De Haan auf der Brücke stand. »Die zeigen landeinwärts.«
    Als sie die Gangway herunterließen, hatte sich schon ein Empfangskomitee gebildet – willkommen in Liepaja! Zwei von ihnen in steifen russischen Anzügen, Hemd am Hals zugeknöpft, und drei in Marineuniform. Ein effizientes Komitee; sie sahen in die Laderäume hinunter, überprüften die Brücke und die Schiffspapiere, ließen die deutschen Gefangenen abführen und machten sich Notizen, während De Haan ihnen erzählte, wie sie gekapert worden und entkommen waren. »Gut gemacht«, sagte einer der Marineoffiziere. »Jetzt gehen wir irgendwohin und unterhalten uns.«
    Er führte De Haan die Gangway hinunter, den Kai entlang an einem fast zehn Meter großen Bombenkrater vorbei und in ein Büro im Hafengebäude hinauf. Nicht die Männer im Anzug, dachte De Haan. Und nicht in einem Keller. Das Büro war nur mit einem nackten Tisch und zwei Stühlen sowie einem gerahmten Foto von Stalin ausgestattet, das an einem Nagel in der Wand hing, um den herum der Gips beim Einhämmern geplatzt sein musste. »Sie dürfen rauchen, wenn Sie mögen.« Der Offizier sprach Deutsch und stellte sich als ›Kapitänleutnant Schalakow‹ vor. Wohl ein Korvettenkapitän. Er war ein Mann in den Vierzigern, mit lichtem Haar, einer breiten, vor langer Zeit einmal gebrochenen Nase und lebhaften grünen Augen. Russischer Jude? Durchaus möglich, dachte De Haan. »Vom Marinestab der Ostseeflotte«, fügte er hinzu. Woraus De Haan schloss, dass er derselben Tätigkeit nachging wie Leiden und Hallowes.
    De Haan nahm ihn mit der Einladung zum Rauchen beim Wort. »Möchten Sie

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