Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
Vom Netzwerk:
sagt er.«
    »Verfluchter Krieg.«
    »Wir mussten ihn als Heizer anheuern, aber ein paar Monate später verloren wir unseren Obermaschinisten, und Kovacz fand sich auf einmal im Maschinenraum wieder. Wir können froh ein, dass wir ihn haben.«
    »Und Ihre zwei Deutschen? Immer noch an Bord?« Es sollte so klingen wie eine gewöhnliche Frage im Zuge einer Unterhaltung, doch es klang nervös.
    »Ja, und sie sind gute Matrosen. Einer ist Anarchist, der andere wollte nicht für Hitler sterben. Er ist jung, neunzehn vielleicht. Es gab ein paar kritische Momente, Gerangel im Mannschaftsquartier. Offiziell weiß ich nichts davon, und die Männer haben das unter sich ausgemacht.«
    »Das ist bei uns nicht anders«, sagte Sims, »ein Offizier kann nicht alles selbst erledigen.«
    Verständnis, dachte De Haan, als Befehlshaber werden wir alle mit denselben Problemen konfrontiert, und er beschloss, das zu seinem Vorteil zu nutzen. »Wohinter sind Sie her, Major, auf Cap Bon? Ich weiß, dass ich das eigentlich nicht fragen sollte, aber ich bin für dieses Schiff verantwortlich und für das Leben meiner Crew, und das gibt mir vielleicht das Recht, es zu erfahren.«
    Das gefiel Sims nicht. Er blieb stumm wie ein Fisch, und eine endlose Minute lang war es auf der Brücke sehr still. Dann ging er zum Spant hinüber, vom Steuermann weg. De Haan ließ ihn dort eine Weile stehen, bevor er ihm folgte.
    »Nur für Sie, Kapitän De Haan. Kann ich Ihr Wort darauf haben?«
    »Sie haben mein Wort.«
    »Kommandoeinsätze können vielen Zwecken dienen: Sie verwirren den Feind, sie halten die allgemeine Moral aufrecht – wenn berichtet wird, dass sie strategische Ziele zerstören. Fernmeldenetze, Kraftwerke, Trockendocks.«
    Sims redete einfach, und so wartete De Haan und wurde belohnt.
    »Ebenso Beobachtungsposten an der Küste.«
    »Wie Cap Bon.«
    »Ja, wie Cap Bon. Sie scheinen in der Lage zu sein, unsere Schiffe zu beobachten, sogar bei Nacht, bei dichtem Nebel. Wir müssen Konvois zu unseren Stützpunkten auf Malta und Kreta durchbekommen, Herr Kapitän, weil die Deutschen dort angreifen werden. Müssen. Ohne die Stützpunkte, als Abfangstationen, sind unsere Streitkräfte in Libyen, unsere gesamten Einsätze in Nordafrika in Gefahr.«
    »Bei Nacht und Nebel?«
    »Ja.«
    »Ist das wirklich durchführbar?«
    »Offenbar ja. Wir hegen den Verdacht, dass sie Infrarot-Suchscheinwerfer benutzen, die sozusagen die Wärme eines Schiffs sehen können.«
    De Haan kannte die Spannbreite nautischer Technologie – an Bord der Noordendam hatten sie kaum etwas davon, gleichwohl gehörte es zu seinem Beruf zu wissen, was es gab. Den Ausdruck Infrarot hatte er allerdings noch nie gehört. »Was für Suchscheinwerfer, sagten Sie?«
    »Infrarot. Eine unsichtbare Barriere, wie ein Vorhang, der von beiden Ufern projiziert wird. Bolometer, Herr Kapitän.« Fast musste Sims lachen. »Tut's Ihnen Leid, dass Sie gefragt haben?«
    »Ich kenne Radiowellen, Radar, aber sonst …«
    »Geht auf den Großen Krieg zurück. In Deutschland haben sie lange damit gespielt, aber jetzt, wo ich es Ihnen gesagt habe, kommt mein Teil der Abmachung: Falls es uns gelingt, technische Ausrüstung auf Ihr Schiff zu bekommen, und mir oder meinem Leutnant sollte etwas passieren, seien Sie so gut und sorgen dafür, dass das verfluchte Ding sicher zu einem britischen Stützpunkt gelangt. Werden Sie das tun?«
    De Haan sagte Ja.
    »Da haben wir's«, sagte Sims. »Sehen Sie? Was Ihnen gerade noch gefehlt hat, war noch mehr Stoff zum Nachdenken.«
    Am zehnten Mai passierten sie am frühen Abend die Straße von Gibraltar. Nebel und Regen blieben ihnen erhalten, doch sie dampften gänzlich unbekümmert mit voller Beleuchtung weiter, so wie es von einem neutralen Schiff zu erwarten war, und De Haan spürte förmlich, wie sich die Teleskope und Ferngläser der deutschen, französischen und spanischen Küstenwachen auf sie richteten, als sie ins Mittelmeer einfuhren.
    De Haan blieb zu seiner Mitternachtswache nicht auf der Brücke, sondern überließ, nach einem Blick auf die Karten, den Steuermann seiner Arbeit und traf sich in der Offiziersmesse mit Ratter, Kovacz und Kees. Ratter ließ vom Küchengehilfen Kaffee und eine Dose Kondensmilch bringen, die er großzügig in seinen Henkelbecher goss, während er den altehrwürdigen Vierzeiler rezitierte: »Keine Scheiße zum Schmeißen, kein Busen zum Schmusen, nur ein Loch in diese Scheißdose zu stoßen.« Dann rührte er mit dem

Weitere Kostenlose Bücher