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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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»Und sorgen Sie dafür, dass diese Leute unter Deck kommen«, sagte er. Dann rief er hinüber, » Momentito , per piacere , capitán vene , capitán vene !«, womit sein Spanisch oder auch Italienisch oder was immer er gesprochen hatte, auch schon am Ende war. Vielleicht ein bisschen Latein dazu, falls sie Mönche waren. Die Kapitänsmütze, in der er sich Amado immer vorgestellt hatte, hing in seiner Kajüte an einem Haken hinter dem Schott.
    Die Gestalt mit dem Megafon kletterte den Kommandoturm hinunter und ging zum Bug. Plötzlich wurden De Haan seine nackten Füße bewusst – aber vielleicht war das gar nicht mal so schlecht, auf dieser rostigen alten Hure von einem spanischen Trampschiff. De Haan versuchte, ein gewinnendes Lächeln aufzusetzen, sagte, » Momentito «, und hob die Hände in einer hilflosen Geste. Die Gestalt, in voller Marineuniform, starrte ihn an, als wäre er Ungeziefer.
    Jetzt standen sie beide da und ließen sich gegenseitig nicht aus den Augen, bis De Haan Schritte an Deck hörte und Kees erschien, den Arm um Amados Taille gelegt. Im Flüsterton sagte Kees, »Oh verflucht«, und schleppte Amado bis an den Rand des Decks, wo er, wie De Haan sah, nicht wagte, ihn loszulassen. Amado, der in seiner Koje im Mannschaftsquartier wachgerüttelt worden war, hatte kein Hemd an und ein leicht irres Lächeln im Gesicht, vollkommen blau. »Du bist der Kapitän der Santa Rosa, denk dran!«
    Amado nickte inbrünstig, ach so ja, sicher. Er zwinkerte verschwörerisch.
    Der Offizier brüllte etwas auf Italienisch, das von Minute zu Minute zorniger klang, und Amado brüllte etwas auf Spanisch zurück, indem er mehrmals die Worte Santa Rosa wiederholte.
    Noch eine Frage.
    Darauf Amado, » Cómo ?«
    Zweiter Versuch.
    Kees sagte etwas zu Amado, der, in deutlich lallendem Ton, einen Satz hinüberbrüllte, der die Worte Izmir und Tabak enthielt.
    Eine weitere Gestalt erschien neben dem Offizier, ein großer, stämmiger Bursche mit Vollbart und schwarzem Rollkragen, eine Maschinenpistole lässig an der Seite. Der Offizier stellte noch eine Frage, Amado neigte den Kopf – was sagt der Kerl?
    »Sag ihm ›Valencia‹«, soufflierte De Haan. Besser, wenigstens ein paar Fragen zu beantworten, dachte er.
    Amado tat es, stolperte und wäre ins Wasser gestürzt, hätte nicht Kees ihn daran gehindert. Aus dem Mundwinkel heraus sagte Kees: »Ich glaube, er muss sich übergeben.«
    Der Mann mit Bart fing zu lachen an, und einen Moment später stimmte der Offizier ein. Und der Kapitän war vollkommen blau!
    Der Offizier schüttelte den Kopf und ließ dann die ganze dumme Angelegenheit mit einer jovialen Geste auf sich beruhen. Die beiden kehrten zum Kommandoturm zurück und verschwanden, die Maschine wurde lauter, und unter schwarzen Rauchwolken aus den Auspuffanlagen dröhnte das U-Boot in die Nacht hinaus.
    De Haan wollte etwas trinken, er hatte eine Flasche Cognac in seiner Kajüte. Er überließ es Kees, mit Amado fertig zu werden, der auf die Knie gefallen war, und ging zur Brücke zurück. Auf seinem Weg war ein Ventilator in ein lamellentüriges Gehäuse von etwa einem Meter zwanzig eingelassen. Als De Haan vorbeikam, sah er, dass Sims und einer seiner Männer in seinem Schatten knieten. Der Soldat hielt ein Gewehr mit einem Nahzielgerät, dessen Riemen er sich in engen Spiralen um den Arm gewunden hatte, um die Waffe still zu halten, eine Praxis, die bei Scharf- und Heckenschützen gebräuchlich war.
    De Haan zog im Vorbeigehen die Augenbrauen hoch, und Sims bedachte ihn dafür mit einem Lächeln und einem kurzen Salut.
    12. Mai, 18.30 Uhr. Vor Bizerte.
    Schon zweimal hatte man sie an diesem Tag observiert. Das erste Mal war es ein Aufklärungsflugboot – die Kanzel mit flacher Unterseite unter den auf Pontons ruhenden Tragflächen aufgehängt. Französische, kreisrunde Embleme an Rumpf und Flügeln. Sims schätzte, dass es eine Breguet 730 war, räumte jedoch ein, dass er den Typ nur von Fotos kannte. Bei dem zweiten allerdings, das sich am Spätnachmittag blicken ließ, war er sich sicher – eine italienische Savoia-Marchetti namens Gobbo in Wüstentarnung mit weißem Kreuz am Leitwerk, »Gobbo, der Bucklige«, sagte Sims, »wegen der knolligen Form seiner Kanzel.«
    Beide Flugzeuge kamen auf hundertfünfzig Meter herunter und kreisten in dieser Höhe, um besser sehen zu können. Ein Verhalten, das De Haan vorausgesehen hatte, weshalb er das ganze Ensemble an Deck versammelt hatte – den Koch und seine

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