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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Bleistiftende um.
    »Wie's aussieht, werden wir pünktlich sein«, sagte De Haan. »Am Zwölften, kurz vor Mitternacht. Nicht lange danach gehen die Kommandos an Land. Wir bringen sie so nah heran, wie wir wagen können, gehen dann etwa zwei Meilen weiter draußen ohne Licht vor Anker und warten. Das Zeichen, dass wir wiederkommen sollen, ist ein zweifaches grünes Lichtsignal, also werden wir Deckleute an den unteren Kletternetzen postieren.«
    »Und am Fallreep?«
    »Wär nicht schlecht.«
    »Und wenn sie nun nicht wieder auftauchen?«, fragte Kees.
    »Dann warten wir. Drei Tage.«
    Einen Moment lang schwiegen alle. Dann fragte Ratter nach, »Drei Tage? Vor Tunesien ankern?«
    »Wir holen uns ein Enterkommando auf den Hals«, sagte Kees.
    De Haan nickte.
    »Und was ist mit dem Wetter?«, fügte Kees hinzu.
    »Nach dem letzten Bericht von Mr. Ali besagt die neuste meteorologische Vorhersage für die alliierte Schifffahrt, dass dieses System sich über ganz Südeuropa festgesetzt hat und aller Wahrscheinlichkeit nach länger anhält.« Der Wetterbericht kam in verschlüsselter Form – ein Kleinkrieg innerhalb des großen Krieges.
    »Das kann uns nur recht sein, oder?«, bemerkte Ratter.
    »Vermutlich ja. Jedenfalls müssen wir die Wacheinteilung überarbeiten, damit wir die besten Leute am Ruder und an Deck haben.«
    »Vandermeer am Ruder?«, fragte Kees.
    »Nein, auf Wache. Junge Augen sehen besser.«
    »Dann Schoener«, schlug Ratter vor.
    »Ein Deutscher bei so was?«, warf Kees ein.
    »Er hat Recht«, sagte De Haan. »Nehmt Ruysdaal. Er ist älter und verlässlich.«
    »Mr. Ali im Funkraum?«
    »Wie immer. Aber ich brauche einen guten Signalgast, Froemming vielleicht, bei den Aldislampen an Deck.« Er meinte die von Hand zu bedienenden, mit Jalousien ausgestatteten Laternen, mit denen man Botschaften signalisieren konnte.
    De Haan wandte sich an Kovacz. Wie bei vielen Polen war Deutsch seine erste Fremdsprache, die er immerhin so fließend beherrschte, dass er Holländisch, oder zumindest den nautischen Teil davon, leicht erlernte. Er war ein wenig älter als De Haan, wie ein Bär ein wenig vorgebeugt, mit lichter werdenden Locken und tief liegenden, rot geränderten Augen. Er redete stets bedächtig in einem tiefen, rauen Bass mit dickem Akzent.
    »Stas«, sagte De Haan, »du übernimmst den Maschinenraum, mit deinen besten Schmierern und Heizern.«
    Kovacz nickte. »Die Kessel unter Volldampf?«
    »Ja, bereit, uns jederzeit hier wegzubringen.«
    »Wie der Teufel abzudampfen«, sagte Kovacz mit einem Grinsen. »Ohne Sicherheitsventil.«
    »Na ja, falls unbedingt nötig. Funktioniert alles einwandfrei?«
    Ein viel sagendes Achselzucken von Kovacz. »Es funktioniert.«
    »Rettungsboote alle bereit?«, fragte De Haan Ratter.
    »Ich kümmer mich noch um die Wassertanks. Natürlich fehlt die Schokoladenration.«
    »Dann ersetze sie. Davits, Leinen, Blöcke?«
    »Eine angefaulte Leine hab ich ausgetauscht. Ansonsten alles bestens.«
    Der Küchengehilfe klopfte an die Tür der Offiziersmesse und trat ein. Er war Elsässer, ein kleiner, gedrungener Mann mit klassischem Schnauzbart, von Kopf bis Fuß der Speisewagenkellner, der er einmal gewesen war. »Patapouf«, sagte De Haan, was im französischen Slang für Dickerchen stand. »Noch Kaffee bitte. Ist Nachtisch vom Abendessen übrig?«
    »Etwas Pudding, Herr Kaptän.« Eine ziemlich zähe Mixtur aus Kartoffelstärke mit getrockneten Datteln.
    »Leistet mir jemand Gesellschaft?«
    Es fanden sich keine weiteren Abnehmer. »Dann nur für mich, Patapouf.«
    »Jawoll, Herr Kaptän«, sagte er und watschelte von dannen.
    Die Sitzung dauerte noch zwanzig Minuten, und De Haan ging wieder zu seiner Brücke hinauf, wo seine weitere Wache ruhig verlief. Als er um vier Uhr in seine Kajüte zurückkehrte, drehte er die Kurbel seiner Victrola und legte seine Platte mit Mozarts Streichquartetten auf. Er öffnete eine der Schubladen in seiner Koje und zog unter einem Pullover einen Gürtel mit Halfter hervor, in dessen modrig fleckigem Leder eine in Belgien gefertigte Browning GP 35 Automatik steckte, mit der er eine Salve Neun-Millimeter-Parabellum-Geschosse abfeuern konnte – Standard-Seitenwaffe für das holländische Militär, die zugleich als Kapitänswaffe diente und auf keinem Handelsschiff fehlte. Als sie vor drei Jahren seinen uralten Revolver ersetzte, hatte De Haan eine leere Tomatendose achtern in die Luft geworfen und so lange drauflosgeschossen, bis sie,

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