Die Stunde des Wolfs
zur Reparatur nach Campeche geschafft worden. Das war in Campeche nichts Besonderes, hier ging alles zu Bruch, wieso also nicht auch ein Frachter? Das Schiff hatte Anfang April angelegt, daraus wurde Mai. Die Crew arbeitete in dieser Zeit unter Deck wie auch in einer kleinen Maschinenwerkstatt an der Küste, um den Motor zu reparieren, die entsprechenden Ersatzteile jedoch ließen ewig auf sich warten. Als sie beinahe fertig waren, schlug das lokale Schicksal wie gewöhnlich zu, und ein Laderaum mit Sisalhanf fing Feuer. Die Crew tat, was sie konnte, die örtliche Feuerwehr wurde gerufen, doch das Feuer fraß sich schnell voran, irgendetwas explodierte, und die Crew verließ das Schiff und stand, die Hände in den Hosentaschen, am Dock herum und fragte sich, was wohl als Nächstes passierte.
Am Fuß des Piers tranken die Leute ein Bier und plauderten zu den Weisen der Band, während die Nacht hereinbrach und die leuchtend gelben Flammen über dem Deck tanzten und die Luft nach gerösteten Bananen roch. Geduldig sah das Publikum zu, wie das Schiff langsam an Backbord Schlagseite bekam, und wartete darauf, bis es umkippte und verschwand, so dass sie nach Hause gehen konnten.
Das Paar sah zusammen mit den anderen zu. Eine Menge Europäer in Mexico City, bei der politischen Lage und dem Krieg in Europa, doch hier traf man sie selten an. Streng genommen waren noch zwei da, zwei junge Männer, Sprengstoffexperten, die an sich für die kommunistische Partei in Mexico City arbeiteten, zuweilen ihre Dienste aber auch freiberuflich offerierten, vorausgesetzt, der Preis stimmte. An diesem Abend allerdings waren sie nicht in Campeche, sondern irgendwo unterwegs, während der Brand einen Menschenauflauf verursachte. Blieb also nur das Paar, das vor der Cantina Las Flores beim Rotwein saß.
»Wirklich«, sagte der Mann. »Ich hab nur zehn Minuten mit ihr verbracht.«
»Es waren wohl eher zwanzig«, sagte die Frau.
»Na ja, eine Party, du weißt schon, da kommt man eben ins Gespräch.«
»Also, bitte, hör auf, das Unschuldslamm zu spielen. Sie sieht dich auf diese bestimmte Art an, die man bemerken muss.«
»Sie ist, mi querida , nicht mein Typ. All diese Zähne.«
Am Ende des Piers war ein weiches ›Wumm‹ zu hören, begleitet von gelben Stichflammen hoch über dem Schiff, und die Menge sagte, »Ahh.«
Die Frau sah auf die Uhr. »Wie lange müssen wir noch hier herumsitzen?«
»Bis es sinkt.«
»Es ist hinüber, wie jeder sehen kann.«
»Man weiß nie – vielleicht geschieht noch ein Wunder.«
»Sehr unwahrscheinlich, würde ich sagen. Und ich bin müde.«
»Du kannst ja schon ins Hotel zurück.«
»Nein, ich bleibe hier«, sagte sie resigniert. »Die Jungs sind weg?«
»Schon seit Stunden.«
»Falls also noch ein Wunder geschieht, wie du sagst, was kümmert es dich?«
»Ich könnte dabei sein.«
Sie lachte. Er war schon immer ein liebenswürdiger Halunke gewesen. »Du bist mir einer«, sagte sie und schüttelte den Kopf.
22. Mai. Hafen von Alexandria.
De Haan wurde mittags ins Hafenbüro bestellt, wo man ihm den nächsten Auftrag der Noordendam nannte, für den unverzüglich Vorbereitungen zu treffen seien. »Dies ist ein Notfall«, sagte der Offizier, ein Captain. »Wir haben also Sie, die Maud McDowell aus Kanada und zwei griechische Schiffe, die Triton und den Tanker Evdokia. Wir brauchen Sie, mein Junge«, bekräftigte der Captain. »Sie machen das freiwillig, nicht wahr? Ich meine, Sie wissen, was auf dem Spiel steht – ihre sämtlichen Vorräte gehen zur Neige, und es sind nur dreihundertsiebzig Meilen bis Kreta, vielleicht anderthalb Tage. Sie machen elf Knoten, nicht wahr?«
»Versuchen wir zumindest.«
»Die Triton ist vielleicht ein bisschen langsamer, aber Sie werden auf jeden Fall von zwei Zerstörern begleitet und vielleicht bekommen Sie auch Luftsicherung. Danach können Sie wieder tun, was immer Sie vorher getan haben, aber im Moment brauchen wir jeden, den wir bekommen können, sofort. Also, was sagen Sie?«
»Wir fahren natürlich. Sie können mit dem Beladen anfangen, wann immer Sie wollen.«
»Wie's der Zufall will, haben wir schon Lkw am Dock. Und noch etwas, Sie bekommen noch einmal einen neuen Anstrich, mit dem Sie dann wieder die Noordendam sind.«
De Haan nickte. Er war nicht überrascht – hier ging es um eine ausgewachsene Invasion, und Nachschub war alles.
»Wir besorgen das Nötige«, sagte der Captain. De Haan vermutete, dass er ein Reserveoffizier der Marine war,
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