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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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dass er normalerweise Handelsschiffe fuhr und aus irgendeinem Grund von der Royal Navy eingezogen worden war, wodurch er selbst sich ein wenig besser fühlte. »Also, die besten britischen Wünsche mit auf Ihren Weg. Und« – ein schelmisches Lächeln – »Rauchen verboten.«
    De Haan bat darum, das Telefon im Hafenbüro benutzen zu dürfen, und rief die Nummer an, die Dickie ihm gegeben hatte. Es meldete sich eine Frau mit einem orientalischen Akzent, und eine Viertelstunde später rief Dickie ihn zurück. »Schön, von Ihnen zu hören, De Haan«, sagte er, doch seine typische polternde Art wurde von einem besorgten Unterton gedämpft – was zum Teufel will der denn?
    De Haan berichtete ihm von der Anweisung des Hafenbüros.
    Kurzes Schweigen am anderen Ende, nur von einem Zischen in der Leitung unterbrochen.
    »Hm. Ziemlich ungelegen, würde ich sagen. Aber …«
    Hatte er es schon gewusst?
    »Sieht ganz danach aus«, sagte er und kam langsam in Fahrt, »dass der Krieg unserem Krieg ein bisschen in die Quere gekommen ist, aber da kann man wohl nichts machen, heh?«, was im Klartext hieß, du bittest mich doch wohl nicht, dich da rauszupauken?
    Doch De Haan war selbst im Krieg – mochten sie mit ihm machen, was sie wollten, doch im Gegenzug wollte er haben, was er brauchte. Sonst … »Unter einer Bedingung.«
    »Die wäre?«
    »Die Noordendam muss einen Sanitätsoffizier, einen Arzt an Bord haben. Ohne den werden wir nicht fahren.«
    Erneutes Zischen. »Tatsächlich.« Er ignorierte De Haans Ton.
    Zu dumm aber auch. »Ja, tatsächlich.«
    »Na ja, ich kann Sie verstehen.«
    »Ich bin an Bord, Pier neun, Liegeplatz Drei, den ganzen Tag, wahrscheinlich noch für zwei oder drei Tage. Der genaue Termin für die Abfahrt ist natürlich geheim, aber es dauert nicht mehr lange.«
    »Also gut, ich kümmer mich drum. Mehr kann ich, fürchte ich, nicht für Sie tun.«
    »Finden Sie einen, Dickie.«
    »In Ordnung.«
    De Haan legte auf. Der Fluch des Trampschiffskapitäns war es, dass er, mit einem medizinischen Handbuch ausgestattet, als Schiffsarzt fungieren musste. Und jedes Mal, wenn sich ein Seemann mit Bauchschmerzen krankmeldete und De Haan nach dem Epsomer Bittersalz griff, konnte er nur an eines denken – Blinddarmentzündung. Es war schon vorgekommen, dass Frachtschiffskapitäne Blinddarmoperationen durchführten, das Handbuch zeigte einem, wie es ging, und zuweilen hatte, dank der unverwüstlichen Konstitution von Schiffern der Handelsmarine, auch schon mal ein Patient überlebt. Bislang hatte De Haan gebrochene Knochen gerichtet, Schnittwunden genäht und Verbrennungen behandelt, bei dem Gedanken an chirurgische Eingriffe allerdings schauderte ihn.
    Doch vor ein paar Tagen hatte er beschlossen, nie wieder den Arzt zu spielen. Sie hatten das Schiff vor Cap Bon bei Tageslicht erreicht, und De Haan erkannte, dass der Sergeant, der sie zum Strand zurückgeführt hatte, gelogen hatte, als er sein Hinken damit erklärte, er sei in ein Loch getreten. Als er das Deck überquerte, hinterließ er bei jedem Schritt eine blutige Fußspur. Offenbar diente unter den Überlebenden der Kommandos jemand als Sanitäter, denn De Haan hatte nichts mehr davon gehört, doch er glaubte, dass der Sergeant einen Schuss abbekommen hatte, und er schwor sich, nie wieder Männer in Gefahr zu bringen ohne einen Mediziner, der die Verwundeten behandeln konnte.
    Als er das Gespräch mit Dickie beendete und, nicht allzu feinfühlig, den Hörer auflegte, dachte er nur: ›In Ordnung‹, ha, in Ordnung ist es erst, wenn du dem starrköpfigen, sturen Holländer gibst, was er haben will.
    Rauchen verboten. Nun ja, vermutlich hatte er damit Recht. Als De Haan zu seinem Schiff zurückkehrte, fand er eine hart arbeitende, eine sehr schweigsame Crew vor. Geöffnete Ladeluken, ächzende, dampfende Winden, nach links und rechts schwenkende Ladebäume, Van Dyck, der sie befehligte. In der ägyptischen Hitze hatte der Bootsmann sein Hemd ausgezogen, so dass er mit seinem dicken, glatten Oberkörper dastand, an dem nicht ein Muskel zu sehen war. Van Dyck war der stärkste Mann, den er je gekannt hatte – De Haan hatte mit eigenen Augen gesehen, wie er wegen einer Wette ein Deck Karten in zwei Hälften zerriss. Doch an diesem Nachmittag kam es nicht auf Stärke an. Van Dyck arbeitete mit einer Präzision, die einem Juwelier zur Ehre gereicht hätte – kein Anstoßen, kein Streifen, kein Ruckeln, während die Ladung ganz langsam in den Frachtraum

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