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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Dickies Drinks kamen der Geruch von verbranntem Treibstoff und kochendem Dampf, von frischer, in der Sonne schmorender Farbe, dann dieses laute Scheppern und Gebrüll, die grauen Röhren und Schotten. Die ganze Mischung, mit einem Teller Hering aus der Dose und Tomatenmus als krönendem Abschluss, schaffte ihn. »Ich bin in meiner Kajüte«, gab er Ratter Bescheid. »Wenn das Schiff sinkt, stör mich bitte nicht.«
    Tat Ratter auch nicht, dafür aber Mr. Ali. Mit einem diskreten, doch hartnäckigen Klopfen an De Haans Schott. Fahr zur Hölle, dachte De Haan und rollte sich von seiner Koje. Und egal, was es ist, nimm, es mit.
    »Ich bitte vielmals um Verzeihung«, sagte Mr. Ali. »Aber ich habe eine äußerst dringliche Nachricht für Sie empfangen, Herr Kaptän. Äußerst dringlich.«
    Damit reichte er De Haan eine Funkmitteilung in Klartext, wonach sein ›Erscheinen noch an diesem Morgen um 09.00 Uhr in einem bestimmten Raum in Gebäude D-9 unbedingt erforderlich‹ sei. De Haan fluchte, zog sich an und ging die Gangway hinunter, um Gebäude D-9 zu suchen. Überall im Hafen war die britische Mittelmeerflotte, unzählige Schiffe jedweder Art, auf denen an diesem Morgen ausnahmslos Arbeiten mit Presslufthämmern verrichtet wurden. Die Sonne brannte auf ihn herab, während De Haan durch einen Dschungel niedriger Gebäude und Nissenhütten wanderte, wo niemand je etwas von einem D-9 gehört zu haben schien, bis ein vor einer Kaserne postierter britischer Marineinfanterist ihn fragte, »Suchen Sie die Leute vom Meldeamt, Sir?«
    »D-9 ist alles, was ich weiß.«
    »Die sitzen in Scovill Hall, einige zumindest, vorübergehend. Das ist Old Stables, das alte Stallungsgebäude.«
    »Stallungen? Für Pferde?«
    »Na ja, vor fünfzig Jahren vielleicht.«
    »Und wo finde ich das?«
    »Ein gutes Stück zu laufen, Sir. Etwa vierhundert Meter die Straße runter, dann biegen Sie an der Maschinenwerkstatt links ab. Da fragen Sie am besten noch mal. Nach Scovill Hall, Sir, oder Old Stables.«
    »Danke«, sagte De Haan.
    »Viel Glück, Sir.«
    Nach einer halben Stunde, in der er mehrmals falsch geführt worden war, kam er mit rasenden Kopfschmerzen und durchgeschwitztem Hemd im richtigen Büro von Scovill Hall an, in dessen Vorzimmer drei Wrens – Angehörige des Women's Royal Naval Service – telefonierten. Eine von ihnen legte die Hand über die Sprechmuschel und sagte, »Tut mir Leid, die Hölle los heute Morgen, Sie werden sich gedulden müssen.« Er setzte sich neben einen Offizier der griechischen Marine, die seit der Kapitulation Griechenlands Ende April zusammen mit der Exilregierung in Alexandria stationiert war. »Ganz schön heiß heute«, sagte De Haan zu dem Offizier.
    Der hilflos die Hände hob und mit einem Lächeln erwiderte, »Nichts verstehen.«
    Sie warteten zusammen, während die Telefone unablässig klingelten – sich meldeten, sobald ein Hörer auf der Gabel landete. Ein Botenjunge kam hastig herein, dann ein zweiter, der leise fluchte. »Sei ein netter Junge, Harry«, sagte eine der Wrens.
    Vierzig Minuten lang gab es keine Ruhe.
    »Tut mir Leid, er kann nicht an den Apparat kommen.«
    »Er wird Sie zurückrufen, Sir.«
    »Ja, davon haben wir gehört.«
    »Nein, die Nummer lautet sechs vierzig, wir sind sechs fünfzig … Nein, die sind in einem anderen Gebäude, Sir … Tut mir Leid, Sir, das kann ich nicht. Ich bin sicher, die melden sich, sobald sie können.«
    »Kapitän De Haan?«
    »Was? Ach so, ja, das bin ich.«
    »Er möchte Sie jetzt empfangen, Herr Kapitän, die Tür links … Nein, das ist das Klo. Ja, da, das ist er, gehen Sie einfach rein.«
    Hinter einem grauen Metallschreibtisch ein Lieutenant der Navy: Universitätsgesicht und weiße Tropenuniform – offener Kragen, knielange Shorts und lange Socken. Keine dreißig, dachte De Haan. Der Lieutenant bot ihm, während er ein Telefonat zu beenden versuchte, einen Stuhl an, ohne aus dem Takt zu kommen. »Wir wissen hier wirklich sehr wenig, die Informationen sickern tröpfchenweise ein. Völlige Konfusion seit gestern … das werde ich selbstverständlich tun … ja, auf jeden Fall. Ich muss Schluss machen, Edwin, melde dich nochmal nach dem Mittagessen, Edwin, ja? … Verlass dich drauf, Wiederhören.«
    Als er auflegte, klingelte das Telefon erneut, doch er schüttelte nur den Kopf und sah De Haan an. »Läuft nicht so gut«, sagte er.
    »Nicht?«
    »Sie haben es bestimmt schon gehört. Sie sind auf Kreta, seit gestern, ein

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