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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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Luftangriff. Tausende von ihnen, mit Fallschirmen und Segelflugzeugen. Wir haben einige erwischt, bevor sie den Boden berührt haben, aber trotzdem halten sie die Insel. Ziemlich außergewöhnlich, wissen Sie, das hat es noch nie gegeben. Wie auch immer, Sie sind?«
    »Kapitän De Haan, vom holländischen Frachtschiff Noordendam.«
    »Tatsächlich? Also, dann meinen herzlichen Glückwunsch.«
    Er ging an einen offenen Safe und begann, einen Stapel Papiere durchzublättern. Fand nicht gleich, wonach er suchte, und fing noch einmal von vorn an. »Richtig«, sagte er erleichtert. »Da haben wir's.« Er ließ De Haan in einem Buch mit Datum und Uhrzeit unterschreiben und reichte ihm ein Blatt gelbes Fernschreibpapier.
    STRENG GEHEIM
    Ausschließlich zur persönlichen Kenntnisnahme des Adressaten
    NID        JJP/JJPL/0447
    OAMT/95-0447        R01296       3B  – 16.00/18.5.41
    Von: Stellv. Direktor/OAMT
    An: E. M. de Haan
    Kapitän/NV Noordendam
    Unverzüglich
    Betreff: Hyperion-Lijn NV Noordendam
    Änderung des Dienstverhältnisses: Alle Frachtgüter, Routen und Anlaufhäfen werden mit heutigem Datum und sofortiger Wirkung von dieser Dienststelle bestimmt.
    0047/14.00/21.5.41+++DD/OAMT
    »Alles klar?«, fragte der Lieutenant. Das Telefon klingelte und verstummte wieder.
    »Die Nachricht schon. Aber der Rest.« De Haan zuckte die Achseln. »Wer genau lässt mich das wissen?«
    »Also, NID steht für Naval Intelligence Division, der Nachrichtendienst der Marine.«
    »Und OAMT?«
    »OAMT. Ja, sicher, das dürfte nicht so schwer sein.« Er öffnete ein Ausziehfach unter seinem Schreibtisch und ging mit dem Finger eine Liste durch. »Das ist« – er suchte weiter – »klar, das ist das gute alte Office of Allied Transport, so. Die Jungs da drüben sind schwer auf Draht.«
    Er sagte es so trocken, dass De Haan trotz allem beinahe lachen musste. »Wer?«
    »Mehr kann ich nicht sagen. Also, logischerweise, Herr Kaptän, müssten Sie jetzt zum Kriegstransportministerium gehören, den Konvoi-Leuten, aber die Logik hat seit 39 ein bisschen Federn gelassen, folglich werden Sie einfach mit den Schlingeln vom OAMT Vorlieb nehmen müssen.«
    »Und, ehm, gibt es da Ihres Wissens irgendeinen bestimmten Schlingel?«
    »Vermutlich schon, und ich bin sicher, er wird sich bald mit Ihnen in Verbindung setzen. Ansonsten würde ich Sie, falls Sie irgendetwas brauchen, an die Leute vom Hafenbüro verweisen.«
    Er kam um den Tisch herum, De Haan stand auf, sie schüttelten sich die Hand, und der Lieutenant sagte, »Also, der Erfolg bringt, wie man so schön sagt, immer Veränderung mit sich, nicht wahr? Dann alles Gute, ja?«
    22. Mai. Campeche, Mexiko.
    Ein stiller Hafen an der Nordküste der Halbinsel von Yucatán, mit Blick über den Golf von Campeche. Ziemlich ereignislos – hier und da geriet die Bank unter den Beschuss einheimischer Revolutionäre, gelegentlich lief ein Frachter ein, doch es befand sich nie viel Geld in der Bank, und eine hohe Sandbank sowie die temporales, die Herbststürme, schreckten die Handelsschiffe ab, so dass sie sich andere Häfen suchten, Mérida etwa, oder Veracruz. Ansonsten war die Region für ihre Furcht erregenden Fledermäuse, die so genannten Vampire oder Blattnasen, bekannt und für ihre schmackhaften Bananen, und das war's dann auch schon.
    Doch am Abend des Zweiundzwanzigsten gab es beträchtliche Aufregung, die eine Menschenmenge an den Strand lockte, die ihrerseits eine Mariachi-Band nach sich zog, und so wurde in dieser Nacht, trotz des Desasters, gefeiert. Dabei wurde die Anwesenheit eines gewissen Paars von unbekannter europäischer Herkunft bemerkt, wenn auch wenig diskutiert. Die beiden saßen an einem Tisch vor der Cantina Las Flores auf dem Laubenplatz am Kai – der Mann groß und distinguiert, mit angegrauten Schläfen unter einem Strohhut, die Frau in farbenfrohem Rock und goldenen Kreolen. Sie kamen aus Mexico City, wie jemand sagte, und waren, zwei Tage vor dem aufregenden Ereignis, per Zug und Taxi in die Stadt gekommen, so dass sie Zeugen wurden, wie am Pier der spanische Frachter namens Santa Rosa Feuer fing.
    Die Santa Rosa hatte in Veracruz Fässer mit Chemikalien und Kisten mit Fahrrädern sowie Nähmaschinen gelöscht und anschließend eine Ladung Henequén – Sisalhanf –, außerdem Rohbaumwolle und Bananen aufgenommen, die sie nach Spanien verschiffen sollte, war dann aber, nur eine Tagesreise vom Hafen entfernt, mit einem Schaden liegen geblieben und

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