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Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
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es an ihm war, die Tür an der Rückseite des Wagons zu schließen und, nachdem er sich vergewissert hatte, dass sie wirklich zu war, ins letzte Bett zu steigen und einzuschlafen.
    Doch das war lange her.
    Also knipste er die Lampe an und stand vor der Vierzig-Bücher-Bibliothek. Freiwillige vor. Frankreich, der Krieg, die Mühen der Van Hoogendams, das Eselsohr auf Seite 148. Ein Vermächtnis, ein unheimlicher Onkel, die wunderschöne Emma und dann, Vergessen.
    25. Mai, 18.30 Uhr. Hafen von Sphakia.
    Früher einmal war dies eine blühende Landschaft gewesen. Ein mediterranes Fischerdorf mit hohen, schmalen Häusern, die sich mit ihren abblätternden, sonnengebleichten Wänden in Ocker oder Sienabraun, Apricot oder Pastellgrün im Kreis um den Hafen drängten, davor die Netze zum Trocknen über grobe Kopfsteine gehängt und die schaukelnden Boote im tiefblauen Wasser vertäut. Du bekommst nichts anderes als Fisch – pflegten die Reisenden zu sagen, wenn sie in einen kalten Rotterdamer Sommer zurückkehrten –, Brot und Feigen und Ziegenkäse und wunderbar schlechten Wein, und die Post kommt nur einmal die Woche, wenn sie denn überhaupt kommt, aber die Sonne scheint, und der Himmel ist blau.
    Jetzt hatte eins der Häuser seine vordere Wand eingebüßt, so dass man auf alte Tapeten und ungemachte Betten blickte, während seinen Nachbarn das Glas in den Fenstern fehlte und im dritten Stock über der Taverne kohlschwarze Explosionsspuren zu sehen waren.
    Am westlichen Ende der kleinen Bucht hatte man früher Fracht verladen. Ein hoher Derrickkran war in der Mitte verbogen, und von den anderen sprühte bei den Schweißarbeiten im Morgengrauen blauer Funkenregen. Zumindest aber war es hier tief. Genug für die Frachter, um am Pier festzumachen, während mit Tarnfarben bemalte Lkw anrollten, um die gelöschte Ladung mitzunehmen. De Haan zählte vier Kräne, die noch funktionstüchtig wirkten, und beobachtete, wie ein Tender versuchte, an einem Trawler auf gleicher Höhe eine Versorgungsleine zu befestigen. Am entsprechenden Dock hatten augenscheinlich die Holzplanken eine Weile gebrannt, bevor jemand sie löschte. Draußen in der Bucht stießen die Ellery und die Covington zu einem schweren Kreuzer sowie einer Reihe Korvetten und Minenräumbooten, die allesamt den, wie De Haan vermutete, letzten zur Verfügung stehenden Hafen auf Kreta bewachten.
    Kurz nachdem sie angelegt hatten, kam ein Oberstabsbootsmann, der aussah, als hätte er tagelang nicht geschlafen, zu De Haan an Bord. »Wir haben vor, die Fracht des griechischen Schiffs zuerst zu löschen«, sagte er, »abgesehen von Ihren Flugzeugen, die brauchen wir gleich.«
    »Stehen wir hier unter Beschuss?«, fragte De Haan.
    »Ab und zu«, erwiderte der Offizier. »Er war insgesamt ziemlich stark.«
    Aus den Bergen hinter dem Hafen konnte De Haan Artilleriefeuer hören, dessen Echo sich an den Hängen brach, bevor es bis zum Hafen drang.
    Als wenige Minuten später die Flieger kamen, stellte sich heraus, dass Sphakia stolze Besitzerin einer Sirene war. Ein eher kümmerliches, müdes altes Ding, das der Bürgermeister gekauft hatte und das, knisternd und heiser, ein an- und abschwellendes dumpfes Dröhnen von sich gab und die Hunde zum Bellen brachte. Da waren die Signale von den Kriegsschiffen in der Bucht bei weitem überzeugender, Hörner, die eine Abfolge schriller Heuler von sich gaben, während die Matrosen auf ihre Gefechtsstationen rannten.
    De Haan hatte in diesem Moment den Oberstabsbootsmann zur Gangway begleitet und höflich gewartet, bis er das Dock erreichte. Er war ein hellhäutiger Mann mit rötlichem Haar, eher standhaft als gelassen und gewiss gegen Unglück abgestumpft, und so schien er, als er sich umdrehte und prüfend in den Himmel sah, in erster Linie verärgert. Nicht geängstigt, nicht aufgebracht – es ging schlicht darum, dass hier eine Menge Arbeit und Ärger auf ihn warteten, der letzte Tropfen für ein volles Fass, und so presste er die Lippen zusammen, schüttelte langsam den Kopf und schlenderte gemächlich übers Dock zur Maud McDowell.
    Bei den Flugzeugen handelte es sich um Stukas vom Typ Junkers 87, einmotorige Sturzkampfbomber mit starren Rädern in gebogenen Radkammern an breiten Streben. Drei an der Zahl, aus Richtung Nord, aus dem zwanzig Meilen entfernten Maleme, streiften sie bei fünfhundert Fuß fast die Baumkronen und hatten es eindeutig auf den Hafen abgesehen. Inzwischen hatten die Schiffe bereits eine Meldung von

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