Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Stunde des Wolfs

Die Stunde des Wolfs

Titel: Die Stunde des Wolfs Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Furst
Vom Netzwerk:
Gesicht. Tut mir Leid, sagten seine Augen zu De Haan, als sich ihre Blicke trafen.
    »Das hast du aber nicht bei der polnischen Marine gelernt«, sagte De Haan.
    »Und ob, zur Hölle.«
    An Deck wartete schon der Vollmatrose auf ihn, der als Signalgast diente. Der übrige Konvoi war weitergefahren, doch die Covington war dicht querab. Von der Nock des Zerstörers aus flackerte ihnen eine fachmännisch bediente Aldislampe entgegen. »Sie wollen wissen, was los ist«, sagte der Signalgast.
    »Melden Sie zurück, ›Mechanisches Problem‹.«
    Der Signalgast folgte der Anweisung mithilfe der Jalousie an der Lampe. Als er damit fertig war, kam prompt die Antwort von der Covington. »Er fragt, ›Wie lange?‹, Herr Kaptän.«
    »Wenn ich das nur wüsste«, sagte De Haan.
    »›Unklar‹?«
    »Ja.«
    Kaum war die Botschaft gesendet, wechselte die Covington abrupt den Kurs und ließ, mit wachsendem Tempo, die Noordendam im großen Bogen hinter sich.
    »Was soll das werden, Herr Kaptän?«
    De Haan war sich nicht sicher. Dreißig Sekunden verstrichen, in denen die Covington nunmehr genau Richtung Ost weiterfuhr, dann schwenkte ihr Bug auf einmal in einer sehr scharfen Kurve hart um. Jetzt wusste es De Haan genau und achtete peinlich darauf, dass der Matrose ihm nicht anmerkte, was in ihm vor sich ging.
    Von der Covington ertönte ein Doppelsignal auf dem Horn. De Haan fing langsam zu zählen an. Bei sechs ein kurzer, dumpfer Widerhall am Rumpf der Noordendam, als hätte ein riesiger Gummihammer dagegengeschlagen. Und wenige Sekunden später noch zweimal.
    Die Augen des Matrosen weiteten sich entsetzt.
    »Wasserbomben«, sagte De Haan.
    07.00 Uhr. Nachdem die Covington weggefahren war, befand sich die Noordendam allein in See.
    Der Angriff des Zerstörers hatte zwanzig Minuten gedauert, in denen das Schiff dort, wo das U-Boot vermutet wurde, Stellung bezogen und, während die Frachtercrew zusah, seine fassförmigen Wasserbomben in Gruppen zum Einsatz gebracht hatte: drei achtern über die Reling gerollt, zwei mithilfe von Deckmörsern abgeschossen – ein traditionelles Muster, das als ›Kreuz fünf‹ bekannt war. Vor Jahren einmal, als De Haan noch Deckmeister im holländischen Ostindien-Handel gewesen war, hatte sein Erster Offizier ihm das Prinzip von Wasserbomben auf einprägsame Weise erklärt: Wasser folgte seinen eigenen physikalischen Gesetzen, besonders, wenn es um Explosionen ging. »Falls Sie mal Schluss machen wollen«, hatte er gesagt, »und Sie wollen ganz sichergehen, füllen Sie den Mund mit Wasser und stecken Sie dann den Pistolenlauf hinein – so sprengen Sie den Hinterkopf weg.«
    Offensichtlich war der Angriff der Covington nicht erfolgreich gewesen – vorausgesetzt, es war überhaupt ein U-Boot, denn das ASDIC-System war dafür berüchtigt, dass es schon einmal Phantome meldete –, da kein Treibstoff, keine Trümmer an die Oberfläche stiegen. Und keine Riesenluftblasen, auch wenn deutsche U-Boote in der Lage waren, als Täuschungsmanöver für ihre Angreifer falsche Blasen, so genannte Pillenwerfer, aufsteigen zu lassen, und davon durchaus Gebrauch zu machen pflegten. Da der Zerstörer demnach vermutlich die Verbindung verloren hatte, konnte er sich nicht mehr länger als Kindermädchen für die Noordendam betätigen, wünschte ihr also alles Gute und entschwand am Horizont. Der Frachter war noch so gerade eben in Fahrt zu halten, während Kovacz und seine Crew sich im Maschinenraum abplagten und alle anderen mit Bangen auf den Torpedo warteten.
    Und doch endete der Tag glücklich.
    Dank einer schärferen Brise nicht allzu warm und abgesehen von einigen schweren Gewitterwolken am südlichen Himmel größtenteils sonnig. Hübsche Wolken – an der Unterseite dick und grau, nach oben hin weiß und scharf umrissen, dann zarte Fetzen im blauen Himmel. Selbstredend brummte Kees vor sich hin, dass das Barometer fallen würde, doch man konnte darauf wetten, dass er die dunkle Seite sah. »Sieben Glasen wird die Scheiße stürmen bis rauf nach Genua«, waren seine genauen Worte gegenüber De Haan. Doch daran konnte der Kapitän wenig ändern, und die Noordendam lag aufgrund ihrer schweren Ladung tief – zweifellos ein Plus, falls launisches Wetter auf sie wartete.
    Für De Haan gab es nicht viel zu tun. Er wanderte hierhin und dorthin und schaute einmal im Funkraum vorbei, um zu sehen, ob Mr. Ali schon etwas Neues auf BBC gehört hatte. Als De Haan das Schott aufmachte, saß Ali sehr konzentriert

Weitere Kostenlose Bücher