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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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war zu einer kunstvollen Frisur hochgesteckt. Rot wie Blut schimmerten ihre Lippen. Die Lämmer, die auf dem Bild zu ihren Füßen lagen, wirkten unpassend, auch wenn die Frau das romantische Kostüm einer Schäferin trug. Im Hintergrund sah man ein Wäldchen, vor dem ein kleiner Tempel mit weißen Säulen stand. Ein Reiter mit rostbraunem Rock und wehendem Haar kam aus dem Wald geprescht. Er war zu klein, als dass man sein Gesicht hätte erkennen können. Sollte er womöglich ihren Onkel als Jüngling darstellen?
    Gabriela suchte nach einem Hinweis darauf, wann das Bild gemalt worden war oder wer die Fremde war, doch fand sie nichts außer der versteckten Signatur des Malers. Breuer hieß der Künstler. Sie hatte nie zuvor von ihm gehört. Grübelnd wandte sie sich ab. Links neben dem Sessel stand ein fein geschnitzter und vergoldeter Schminktisch mit einem hohen Spiegel. Dort lagen Seidenbänder und eine Puderquaste, daneben eine zierliche, silberne Schere, kristallene Flaschen mit goldfarbenen Parfüms reihten sich aneinander. Es gab Kämme aus Elfenbein und emaillierte Puderdosen, auf die kleine Tänzerinnen gemalt waren.
    Neugierig öffnete Gabriela die Schublade des Schminktischs. Hier fanden sich seidene Untergewänder, kostbare Leinentüchlein, mit Delfter Spitze gesäumt, und ein dünnes Buch mit anstößigen Kupferstichen, die sehr anschaulich zeigten, auf welch verschiedene Art Mann und Frau den Beischlaf pflegen konnten. Angewidert ließ sie das in rotes Leder gebundene Buch wieder zwischen der Seidenwäsche verschwinden.
    Gabriela hatte die Schublade ganz herausgezogen, damit ihr nichts entgehen konnte. Als sie diese wieder einsetzen wollte, fiel ihr eine kleine Kerbe auf der Rückseite auf. Es gab eine Druckstelle im Holz, so als sei es an einen stumpfen Nagel gestoßen. Ein vorspringender Nagel an einem so meisterlich geschreinerten Tisch? Vorsichtig klopfte sie die Seitenwände der Höhlung, aus der sie die Lade gezogen hatte, ab. Alles klang massiv. Dann streifte ihre Hand einen metallenen Riegel, kaum so groß wie der Nagel ihres kleinen Fingers. Vorsichtig versuchte sie, ihn zu bewegen. Ein leises Klicken ertönte. Sie schob den Kerzenhalter unter den Schreibtisch, um ihn besser untersuchen zu können. Doch nirgends war etwas zu sehen, was auf eine Cachette, ein Geheimfach, hinwies.
    Enttäuscht kroch sie wieder unter dem Tisch hervor. Seitlich sah sie das Bild der Schäferin im Spiegel. Die Frau schien ihr höhnisch zuzulächeln. »Blöde Ziege«, brummte Gabriela leise, griff nach einem der Parfümflacons und öffnete den fein geschliffenen Kristallstöpsel, in dem sich funkelnd das Kerzenlicht brach. Der Duft von Rosenöl schlug ihr entgegen, vermischt mit einem anderen Geruch, den sie nicht zu benennen vermochte. Schwer und einschmeichelnd stieg er ihr in die Nase. Hastig verschloss sie den Flacon wieder. Sie benutzte nie Parfüm! Dort, wo das Fläschchen gestanden hatte, war ein kreisrunder Fleck in der feinen Staubschicht auf dem Schminktisch zurückgeblieben. Sorgfältig stellte Gabriela den Flacon so auf den Tisch zurück, dass er wieder genau an seiner ursprünglichen Stelle stand. Wenn ihr Onkel genesen würde und nach hier oben zurückkäme, sollte nichts auf ihren Besuch hinweisen.
    Gabriela wollte sich schon umdrehen und gehen, als ihr Blick auf die untere Zierleiste des Spiegels fiel. Sie war ein kleines Stück vorgesprungen. Mit klopfendem Herzen zog sie die Leiste zur Seite. Auf ihrer Rückseite stand in geschwungenen Buchstaben ein Name. Boulle . Was mochte das heißen? Hinter der Leiste verbarg sich ein kaum einen halben Zoll breiter Spalt, aus dem ein Stück Pergament hervorlugte. Vorsichtig zog sie es heraus. Die Tierhaut war so dünn gegerbt, dass honigfarben das Licht der Kerze hindurchschimmerte. Sie musste hinter den Spiegel hinaufgeschoben gewesen sein.
    Ein großer vielzackiger Stern war auf das Pergament gemalt. Hier und dort waren Buchstaben und merkwürdige Zeichen in die Felder des Sterns gemalt. Auf der linken Seite des Blattes gab es eine breite Spalte, in der auf Französisch Erläuterungen zu den Buchstaben standen. Ganz oben auf dem Blatt stand verschnörkelt ein einzelnes Wort. Peterwardein . Gabriela schluckte. Jetzt erkannte sie, worum es sich bei der Zeichnung handelte. Es war ein Plan der Befestigungsanlagen von Peterwardein mit genauen Angaben zu den Abständen der Schanzen und Forts zueinander, Anzahl und Stellungen der Geschütze … Alles, was ein

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