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Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin

Titel: Die Sturmreiterin - Hennen, B: Sturmreiterin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hennen
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Säfte herauslassen, hatte Straben dazu erklärt. Doch der Kommandant konnte sich nicht erinnern, dass es ihm nach dem Aderlass bessergegangen wäre. Nur schwächer hatte er sich gefühlt. Auch jetzt war er noch unendlich müde. Eine Stimme in seinem Innern flüsterte leise, er solle wieder schlafen. Es war die Stimme des Todes! Er musste heraus aus dieser Kammer. Verzweifelt blickte er zu seinem Uniformrock, der von einem Haken neben der Tür hing. Es waren nur drei Schritt bis dorthin, und doch erschien er ihm unerreichbar.
    Ärgerlich versuchte er, seine Beine unter dem Berg von Decken freizubekommen, die man über ihm aufgehäuft hatte. Fast hatte er es geschafft, als er sah, wie sich die Tür bewegte. Unstet flackerndes Kerzenlicht fiel in seine Kammer. Dann schwang die Tür ganz auf, und er sah sie! Für einen Augenblick lang konnte er spüren, wie sein Herz stehen blieb. Sie war gekommen, um ihn zu holen! Er hatte es immer gewusst, dass sie sich noch einmal wiedersehen würden!
    »Bist du hier, um mir auf dem Weg in den Höllenschlund dein Geleit zu geben, Juliette?« Für einen Moment lang schien sie überrascht, dann versuchte sie sich an einem freundlichen Lächeln. Doch er kannte sie zu gut! Von Bretton wusste, dass er von Juliette mit Sicherheit nichts anderes als eine Teufelei oder bestenfalls bitteren Hohn zu erwarten hatte.
    »Hörst du? Weiche von mir! Geh! Ich bin nicht schuld an deinem Tod! Es war ein Unfall! Ein Unfall!« Ein Schatten erschien unter der Tür. War er etwa auch gekommen? Der General richtete sich auf. Sein Herz schien zerspringen zu wollen, so wild hämmerte es in seiner Brust. Er konnte die Gestalt in der Tür nicht richtig erkennen. War der Betrüger jetzt auch tot?
    »Vater, der du bist im Himmel … « Der Kommandant begann zu beten. Gleichzeitig versuchte er, ein Stück weiter zurückzurutschen. Juliette stand jetzt vor dem Bett. Sie wollte sich über ihn beugen …
    Sie sah aus wie an jenem Tag vor mehr als dreißig Jahren, an dem sie sich zum ersten Mal begegnet waren. Noch einmal spürte er die Wut und die Verzweiflung ihres letzten Nachmittags. Er hatte ihrem Verrat ein Ende gemacht. Nun war sie gekommen und wollte ihre Rache!
    »Nicht!« Das Zimmer begann sich zu drehen. Er stürzte. Juliette stieß einen gellenden Schrei aus. Ihm wurde schwarz vor Augen.
    »Gut, dass Sie mich sofort gerufen haben, gnädiges Fräulein.« Straben tastete den Kopf ihres Onkels ab und brummte etwas vor sich hin. »Eine Prellung, aber nichts Ernstes.« Der alte Regimentschirurg starrte sie an, sagte aber nichts.
    »Wir müssen ihn noch einmal zur Ader lassen, denke ich. Außerdem werde ich Branko beauftragen, noch ein paar Decken zu holen und vier Ziegelsteine in der Ofenglut zu erhitzen. Ich habe mich mit einem Kollegen in der Stadt über Ihren Onkel beraten.«
    Gabriela betrachtete die weinrote Nase im Gesicht des Medicus und konnte sich lebhaft vorstellen, welchen Rahmen die beiden Ärzte ihrem Fachgespräch gegeben hatten.
    »Ich werde mit dem Blut alleine nicht alle üblen Säfte aus seinem Körper holen können.« Straben bückte sich stöhnend, holte den Nachttopf unter dem Bett hervor und steckte seine lange Nase hinein. Er legte die Stirn in Falten und schnitt eine Grimasse, sodass sein Gesicht wie eine Kugel zerknüllten alten Pergaments aussah. »Der Geruch ist in Ordnung. Manchmal kann man schon an der Pisse riechen, wenn jemand von innen heraus verrottet.« Der Arzt tauchte den kleinen Finger seiner rechten Hand in den Nachttopf und leckte dann daran. »Auch im Geschmack gibt es keine Besonderheiten.« Straben wischte den Finger an seinem Rock ab. »Wisst Ihr, gnädiges Fräulein, manchmal schmeckt die Pisse Kranker so süß wie Honigwaben. Geschieht dies bei einem jungen Menschen, ist ihm meist nicht mehr zu helfen. Sie magern schnell ab und sterben, wohingegen die Älteren mit dieser Krankheit durchaus eine Weile leben können.« Der Arzt legte den Kopf schief und musterte sie. »Täusche ich mich, oder haben Sie Ihre Haare gefärbt, gnädiges Fräulein?«
    »Das muss wohl das Licht sein, lieber Doktor.« Gabriela hielt den schweren, grauen Radmantel zu, den sie sich über die Schultern geworfen hatte, als sie über den Hof zum Quartier des Regimentschirurgen gelaufen war. Er musste nicht auch noch das Schäferinnenkleid sehen, das sie darunter trug. Es wäre ihr zu peinlich gewesen, erklären zu müssen, warum sie mitten in einer Winternacht in dieser Maskerade am Lager ihres

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