Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
dann schließlich doch alles liegenlassen und auf eine frühmorgendliche Eingebung von oben gehofft, mit der ich das Problem spielend lösen würde.
    »Man sollte meinen, bei dem vielen Platz auf dem prächtigen großen Schiff hätten sie dir wenigstens zwei Kisten zugestanden«, sagte Nan, während sie ihre überzählige Wäsche zu einem Bündel zusammenrollte. »Wie viele Maler schicken sie schon mit? Schließlich bist du kein Musikant oder ein königlicher Reitknecht.« Seit ich in der Welt aufgestiegen war, achtete Nan sehr auf meinen Rang und paßte gut auf, daß man mich nicht zu weit unten an die Tafel setzte oder in der Kapelle zu weit hinten. Zuweilen verschaffte sie mir sogar einen Sitz vor einem Maler-Färber und behauptete, kleine Gemälde wären vornehmer als »große, ungeschlachte«. Fresken rangierten bei ihr an letzter Stelle, kamen praktisch dem Fahnenmalen gleich, und sie behauptete, ein Mann, der so etwas machte, hätte keinen Stolz im Leib und gewißlich kein Recht, mir die Sicht auf Hostie und Kelch zu versperren.
    »Laß mich noch einmal sehen. Die Farben brauchen nicht viel Platz, die Wäsche auch nicht. Wenn ich also dieses Kleid anziehe, kann ich das andere daheim lassen und mir im Ausland ein zweites schneidern lassen, wenn es sein muß –«
    »Laßt die Bücher daheim, Mistress Dallet. Die Franzosen haben Bücher in Hülle und Fülle, und Bücher sind schwer.« Robert Ashford hatte sich wie auf Katzenpfoten in unsere Zimmer geschlichen, stand an der Tür und störte und schikanierte uns, als hätte er ein Recht dazu. Mein Entschluß stand fest. Sollte ich etwa ohne den Rathgeber für das treffliche Eheweib in die Fremde ziehen? Wo ein ganzer Teil nur davon handelte, wie man mit Ausländern und Leuten umging, die schwer von Begriff waren, und ein weiterer davon, wie man hochgestellten Persönlichkeiten auf unaufdringliche und schickliche Art aufwartete. Dieser unleidliche Master Ashford wollte ja nur, daß ich irgendeinen schrecklichen Fehler beging und mich als ungehobelt und ungeeignet für einen prächtigen Hof mit vielen hochmögenden und gesitteten, wenn auch etwas verderbten Menschen erwies. Und wer will schon gern auf französisch über das Leben der Jungfrau Maria lesen, sie hat ja gar kein Französisch gesprochen, und daher wäre es auch längst nicht so erhebend. Die Bücher kommen mit, dachte ich.
    »Ich nehme sie mit«, sagte ich, ohne ihn anzusehen.
    »Und um was handelt es sich, daß Ihr Euch nicht davon trennen mögt?« Er trat herzu und wollte sie aus der Kiste holen, doch ich knallte den Deckel zu. Meine Bücher gehören mir und sind nicht für Leute gedacht, die sich nur lustig machen, weil sie nicht in Latein geschrieben sind.
    »Genau wie ich mir gedacht habe; nichts für ein fremdes Auge«, sagte er und schulterte meine Kiste. »Farben- und Giftmischen läuft fast auf das gleiche hinaus, was meint Ihr?«
    »In meinen Büchern steht nichts über Farbenmischen«, sagte ich und schloß mißbilligend den Mund. Bücher über Malerei sind etwas für Trottel, soviel sollte er wissen. Wer schreibt schon seine Geheimnisse für andere auf? Er drehte sich um und warf mir einen höchst sonderbaren Blick zu, dann ging er die Treppe hinunter und trat auf die Straße.
    Draußen wartete sein Diener mit den Pferden, zwei großen rötlichbraunen Wallachen mit Sattelkissen hinter dem Sattel und einem Packpferd aus Wolseys Stall. Der Himmel färbte sich bereits rosig. Dieses eine Mal war es mucksmäuschenstill hinter den verriegelten Fensterläden des Brauhauses ›Zur Ziege und zum Krug‹. Ich werde dich vermissen, alte Straße; ich werde sogar die ›Ziege und den Krug‹ vermissen. Ein alter gefleckter Hund kam aus der Gasse hinter der Schenke und setzte sich betrübt zu meinen Füßen. Mistress Hull und Cat standen weinend an der Tür – Mistress Hull, weil sie glaubte, daß sie uns nie wiedersehen würde, und Cat, weil sie sich ärgerte, daß sie nicht mitreisen durfte, um den französischen Hof mit eigenen Augen zu sehen.
    »Lebt wohl und Gott befohlen«, rief Mistress Hull und umarmte Tom. »Dich werde ich nicht wiedererkennen, wenn du ausgewachsen und kräftiger zurückkommst.« Ashford drehte sich jäh um.
    »Was soll das heißen? Er kommt nicht mit«, sagte er.
    »Er kommt nicht mit?« fragte ich zurück. »Aber er muß mit – Ihr habt versprochen…«
    »Ihr seid nicht die Königin von Persien, Mistress Dallet, und Ihr braucht keinen kompletten Hofstaat. Eine Dienerin, mehr

Weitere Kostenlose Bücher