Die Suche nach dem Regenbogen
handelte sich um irgendein raffiniertes Zeichen.
Er hatte gesehen, was er gesehen hatte. Montségur, den Ort der geheimen Weissagung, gemalt am Anfang aller Zeit, ehe die Festung ihn bekrönte. Der Ort, wo die Erlösung der Welt verborgen lag, in mystisches Licht getaucht. Und hier, in einem Schrank, in ebendiesem Raum, gab es eine Münze von König Dagobert. Es konnte nur bedeuten, daß ein Unbekannter das Versteck gefunden hatte, in dem eine Kopie des Manuskriptes verborgen war. Ein Unbekannter, der es in die Welt hinausposaunte. Was wollte er? Geld? Macht? Der Steuermann mußte davon benachrichtigt werden. Der Mann, der das hier gemalt hatte, mußte gefunden und zum Schweigen gebracht werden. Er betrachtete das kleine Porträt in seiner Hand noch einmal. Ja, zum Schweigen gebracht, doch vorher mußte er das Geheimnis dieser winzigen Bilder preisgeben. Ein begabter Bursche, aber ein Narr, vor allem verglichen mit mir, dachte der Maler.
»Lebt der Mann, der das hier gemalt hat, in London?«
»Das hat kein Mann gemalt«, sagte Cavendish und blickte grinsend zu Ashford, denn beiden war die aschgraue Gesichtsfarbe des Franzosen aufgefallen.
»Der Teufel…«, flüsterte der Künstler. »Welche Mächte…?«
»Er hat gesagt«, verkündete Ashford, »daß dieses kein Mann gemalt hat.« Der Franzose blickte auf und bemerkte ihre fröhlichen Mienen.
»Kein Mann? Wenn es aber kein Mann war, dann…«
»…war es eine Frau.« Die Engländer lachten schallend über die Verwirrung des Franzosen. Wütend reckte sich der Künstler zu voller Größe.
»Ihr habt mich nur hierhergeführt, weil Ihr Euch über meine Kunst lustig machen wollt«, sagte er.
»Wir? Aber wir doch nicht«, sagte Ashford.
»Wie könnt Ihr uns für so ungezogen halten?« sagte Cavendish. »Ihr? Der größte Maler Frankreichs? Unser Herr ist Euch außerordentlich dankbar, daß Ihr seine antiken Schätze bestimmt habt. Hier, diese Börse soll Euch seine Wertschätzung zeigen.«
»Börse? Ist meine Ehre mit Geld zu kaufen?«
»O nein, der Gedanke sei ferne von uns«, sagte Ashford.
»Unser Herr wollte, daß Ihr Euch seine Sammlung anseht und ihn beratet, wie er sie weiter vervollständigen kann.«
»Ja, und das erfordert ein äußerst scharfsinniges künstlerisches Urteil.«
»Wir möchten jedoch nicht, daß Ihr Euch übernehmt.« Nach und nach gelang es ihnen, den aufgebrachten Franzosen zu besänftigen. Seine Wut wurde zu Gestammel, und am Ende wurde das Gestammel wieder zu vernünftiger Rede.
»Etwas jedoch verblüfft mich«, sagte er, nachdem er erneut seine gewohnte verächtliche Miene aufgesetzt hatte. »Ihr sagt, daß diese merowingischen Münzen hier in England gefunden wurden. Ich interessiere mich ganz ungemein für Raritäten dieser Art. Sagt, wurde dabei noch mehr gefunden? Schmuck vielleicht oder eine seltene Kiste?«
»Darüber weiß ich nichts. Der Erzbischof sammelt nur Münzen und Medaillen. Mag sein, daß der Antiquar, der die Münzen verkauft hat, mehr darüber weiß.«
»Ein Antiquar? Wer könnte das sein?« fragte Perréal scheinbar leichthin.
»Sir Septimus Crouch, ein namhafter Gelehrter und Schüler des Okkulten. Er lebt hier in London, in der Limestreet Ward, unmittelbar an der Stadtmauer.«
Kapitel 14
A ch, Nan, und ich dachte, Besitzlosigkeit ist eine Tugend, und nun sieht es so aus, als ob ich noch immer zuviel besitze. Wie bekomme ich das nur alles in eine kleine Kiste?« Bekümmert betrachtete ich meine aufgehäufte Habe, die ich für unbedingt nötig bei einem langen Aufenthalt an einem ausländischen Hof erachtete. Mein bestes Kleid, zwei Paar Strümpfe, ein Leinenkragen, Umhang und Nachthemd, eine neue Kapuze und meine Bücher. Und dazu noch meine Malutensilien, zumindest ausreichend Vorrat, bis ich eine Nachschubquelle auftun konnte: Tuschen und Pinsel, Kreiden und Gesso, Gummiarabikum, Farbpigmente, Messer, Werkzeuge zum Polieren, Mörser und Stößel zum Zerstoßen der Farben und mein schwarzer Seidenkittel. Dazu Seiten von gutem Papier, flach aufeinandergelegt, mehrere schlichte, kleine gedrechselte Schatullen und der Rest meines Pergaments, darunter auch das gute alte Stück mit der Schrift, das mittlerweile voller Löcher war, weil ich zum eigenen Gebrauch schon soviel herausgeschnitten hatte. Draußen war es noch dunkel, obschon der Morgen heraufdämmerte. Wir hatten den Feuersturz von der Glut genommen, um Licht zu haben. Am gestrigen Abend hatte ich gepackt, neu gepackt und noch einmal gepackt und
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