Die Suche nach dem Regenbogen
voller Seeleute, die sich betrunken auf Bänken lümmelten und vor dem Fenster grölten und sangen, dazu gesellten sich andere Menschen, die anscheinend keiner geregelten Beschäftigung nachgingen. Ein einäugiger Mann mit schmutziger Schürze sagte Master Ashford, daß er für unsere Pferde Platz in seinem Stall hätte, wir müßten ihm jedoch für Futter den doppelten Preis zahlen wegen der Prinzessin und so weiter, und Futter wäre dieser Tage teuer. Dann zwinkerte er mit dem einen Auge und sagte, er hätte auch ein Bett, das allerletzte in der ganzen Stadt, und das kostete auch das Doppelte. Master Ashford bekam sehr rote Ohren, als ihm aufging, daß der Mann ihm sündige Gelüste unterstellte, und das ausgerechnet mit mir. Zunächst dachte er, er könnte wie all die Seeleute auf einer Bank vor dem Feuer schlafen, änderte jedoch seine Meinung, als sich herausstellte, daß es in dem Zimmer zwei Betten gab, wovon das große schon mit sechs Männern von Stand belegt war. Und das zweite Bett, sagte der Einäugige, böte in Wirklichkeit fünf Männern Platz und würde ihn noch mehr kosten, damit er den letzten Platz nicht auch noch verkaufte, denn er wäre ein armer Mann und hätte große Ausgaben. Master Ashfords Gesicht zuckte, was ein interessanter Anblick war.
Wir nahmen das Abendessen in der Schenke auf unseren Kisten sitzend ein, denn so wurden sie uns nicht gestohlen, und als unsere Sachen getrocknet waren, gesellte sich Master Ashfords Diener zum Schlafen zu Bischof Wolseys Pferden, damit sie nicht über Nacht verschwanden oder sich in lahmende Schindmähren verwandelten. Oben in dem engen Bodenraum unter dem Spitzdach lag einer der Edelleute bereits im Bett und schlief bekleidet, gestiefelt und gespornt. Ein anderer war betrunken und pinkelte ins Feuer, und seine Freunde machten sich darüber lustig, daß er den Wein nicht bei sich behalten könne.
»Oh, was für ein scheußliches Bett. Ich könnte schwören, das Laken hier ist noch nie gewaschen worden. Was ist denn das? Oh! Es wimmelt von Flöhen!« Nan ekelte sich schrecklich und fing an, Laken und Bettzeug auszuschütteln.
»He, Weib, hier werden keine Flöhe ausgeschüttelt!«
»Ja, jedem seine eigenen Flöhe!«
Der Regen prasselte immer lauter gegen die geschlossenen Fensterläden. Unvorstellbar, daß jemand bei diesem furchtbaren Wetter nach Frankreich in See stechen konnte.
»Hat der Mann ein Glück. Zwei Frauen für sich allein, und wir haben keine. Hier wird geteilt, du Halunke.« Master Ashford blickte sehr zornig, und seine Hand fuhr ans Messer.
»Ihr werdet Euch vor dem Almosenpfleger des Königs zu verantworten haben, wenn diese beiden Frauen morgen früh nicht wohlbehalten nach Frankreich aufbrechen.«
»Oho, Bischof Wolseys Dirne, was?« Jetzt war ich noch zorniger als Master Ashford, denn es ist abscheulich, wenn ein Mann von Stand, auch wenn er betrunken ist, eine ehrbare Witwe nicht von einer übel beleumdeten Frau unterscheiden kann.
»Gott strafe Euch für Eure böse Zunge«, fuhr ich ihm über den Mund. »Ich bin Malerin im Haushalt des Bischofs und fahre nach Frankreich, weil ich die Königin und die dortigen Edelleute malen soll, damit ihre Gesichter auch in England bekannt werden. Und wenn es in Dover nicht so rappelvoll wäre, würden wir in einer viel eleganteren Herberge absteigen, nicht unter gewöhnlichen Menschen ohne Geschmack, sondern in einer, die nur für hohe Herrschaften und Fürsten ist.« Master Ashford fiel die Kinnlade herunter, denn soviel Entschiedenheit hatte er mir wohl nicht zugetraut, aber ich wußte, wie man mit betrunkenen Kerlen umgeht, schließlich wohnte ich schon lange gegenüber vom Brauhaus ›Zur Ziege und zum Krug‹.
Darauf zogen sich die Betrunkenen zurück und taten so, als staunten sie ehrfürchtig. »Nein aber auch. Eine Malerin! Hat man so was schon gehört?«
»Die spricht nur mit Fürsten. Sollten wir uns verneigen?«
Ich bin es jedoch gewohnt, für mich einzustehen, daher auch die vielen Dinge in meiner Kiste, nicht bloß Kleider.
»Wenn ihr euch respektvoll benehmt, zeige ich euch etwas. Wer von euch hat eine Liebste oder eine Mutter, die sich über das Abbild seines Gesichtes freuen würde?« Jetzt fingen sie an, sich zu zanken und Witze zu reißen, und während sie abgelenkt waren, öffnete Nan meine Kiste und reichte mir handtellergroßes, zugeschnittenes Papier und mein kleines Zeichenbrett aus poliertem Pappelholz, das glatter als Seide ist. Schließlich schoben sie einen
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