Die Suche nach dem Regenbogen
Mistress Susanna, ein Buch mit schlüpfrigen Geschichten, die sie über die Liebeleien bei Hofe gesammelt hat.«
»Oje. Schneide mir noch ein Stückchen Schinken ab. Also habe ich doch recht gehabt. Dieser Mann hat es auf eine Liebelei mit unserer Prinzessin abgesehen. Wenn sie erst verheiratet ist, sollte sie ihre Tür gut abschließen.«
»An Mutter Guildford kommt er nicht vorbei, soviel steht fest. Und wenn er der König von Frankreich wäre, bei mir würde er nichts erreichen und bei ihr auch nicht. Der kennt sich nicht mit Engländerinnen aus. Wenn wir unsere Ehre verteidigen müssen, sind wir eisern.«
»Ich fühle mich im Augenblick leider eher matschig, Nan. Gib mir bitte den Becher. Wenn man so furchtbar erkältet ist, schmeckt selbst der Wein komisch.«
»Dieses eine Mal sei dir vergeben«, sagte Nan, und ihre Miene wurde weich bei dem traurigen Gedanken. »Ein hartes Leben ist das hier, und ich habe den Jungen auch sehr gern gehabt.«
»Was hatte er verbrochen, Nan? Mag er ein Sünder gewesen sein, das sind wir anderen doch auch. Warum wurden wir davor bewahrt?«
»Vermutlich weil Gott noch etwas mit uns vorhat. Aber trotzdem ist es ungerecht. Das mit dem sauertöpfischen Master Ashford kann ich ja verstehen. Da wollte irgendein böser Wassergeist wohl einen Tischgenossen haben.«
»Ich muß noch immer an ihn denken, Nan. Und was hat er nur von mir gehalten? Ich wollte ihm sagen, daß er sich geirrt hat. Ich schlage mich nicht durch wie diese französischen Damen. Ich lebe von ehrlicher Arbeit. Na ja, einigermaßen ehrlich«, setzte ich im nachhinein hinzu, denn mir waren all die Evas nebst Adam eingefallen. Aber wie auch immer, lange nicht so schlimm, wie jedermanns Geheimnisse in einem Buch mit schlüpfrigen Geschichten auszuplaudern. Außerdem war ich eine arme Witwe und mußte mich durchschlagen… In meinem Kopf hörte ich eine Stimme knurren: Ach, schon wieder dieses Gewinsel? sagte sie. Ihr entschuldigt Euren Dickschädel mit Selbstmitleid. Warum gebt Ihr nicht einfach zu, daß Ihr es so wolltet? Und ich streite nicht mit einem Toten, gab ich im Geist zurück. Doch dann erblickte ich ihn vor meinem inneren Auge ganz verfault auf dem Meeresgrund, und da tat mir das Herz weh. Oder vielleicht war es auch nur die Brust, weil ich Husten hatte.
Bei Tagesanbruch am nächsten Morgen begann man mit den Hochzeitsvorbereitungen, und es gelang mir, an einem voll besetzten Fenster mit Blick auf den Garten noch einen Stehplatz zu ergattern, so daß ich den Hochzeitszug sehen konnte. Ein leichter Wind wehte und blies Asche auf die Fensterbank. Etwas davon blieb auf meinem Handrücken hängen: ein winziger, angekohlter Papierfetzen mit einem Buchstaben, der schwärzer war und deshalb noch zu erkennen.
»Was ist das«, schniefte ich. »Verbrennt man jetzt Bücher?« Ich fieberte noch immer, und der Garten schien im grauen Frühlicht zu schwanken.
Ein Schankkellner, der sich neben mich gequetscht hatte, antwortete mir. »Ach, das ist wohl von dem großen Feuer gestern abend. Auf der anderen Seite des Flusses soll die halbe Stadt abgebrannt sein. Ich habe gehört, wie der italienische Botschafter sich beschwert hat, daß es ihn fast erwischt hätte.«
Oh, dachte ich, nun werde ich auch noch taub. »Ich habe nichts gemerkt. Ich lag gestern abend mit Fieber zu Bett. Daher habe ich die Feuerglocke wohl nicht gehört.«
»Man hat die Glocke gar nicht geläutet. Die hätte allen doch den Ball gestern abend vergällt. Man sagt, es wäre nicht so schlimm gekommen, wenn man mehr Männer zum Niederreißen der Mauern gehabt hätte.« Zuerst das Unwetter, jetzt das Feuer, dachte ich. Ich habe noch von keiner Hochzeit gehört, die unter einem solchen Unstern gestanden hätte. Wie kann das noch gut ausgehen?
»Seht Ihr, die englischen Ritter. Wie viele? Eins… zwei… ich komme auf sechsundzwanzig. Nicht schlecht. Ah, die Königin sieht in französischer Mode wirklich besser aus.« Die Französin auf meiner anderen Seite hatte ihr eigenes Urteil über englische Prachtentfaltung. Hinter den Herolden und Stabträgern folgten die Musikanten mit ihren verschiedenen Instrumenten und die psalmodierenden Priester. Jetzt trat die Prinzessin aus dem breiten steinernen Portal, und zwei vornehme Edelleute, Norfolk und Dorset, gingen zu ihrer Seite. Sie hielt einen Augenblick inne. Unter der Last des Geschmeides und in dem prunkvollen Kleid aus Goldbrokat und Hermelin wirkte sie viel kleiner und sah ganz verloren aus. Der
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