Die Suche nach dem Regenbogen
gekleidet«, sagte die alte Dame fest.
»Unsinn, sie ist meine verehrte Mutter.« Der Herzog schwankte beim Sprechen. »Ich bin gekommen, um ihr zu huldigen. Seht Ihr, Bonnivet? Ich hatte recht mit der Haarfarbe. Rot, röter, am rötesten. Entweder seid Ihr blind, oder Ihr habt aus Höflichkeit gelogen.« Der Königin floß das lange Haar über die Schultern, da man es noch nicht unter ihren Kopfputz gezwängt hatte. Ich bekam ihren erschrockenen Blick mit, sie machte den Eindruck, als sähe sie den Mann, den Mutter Guildford nicht in ihr Gemach lassen wollte, in einem ganz neuen Licht, als Bedrohung.
»Aus dem Weg, Weib, Monsieur d'Angoulême wünscht seinen Ehrengast mit gebührender verwandtschaftlicher Zuneigung zu begrüßen«, sagte der Mann, den er Bonnivet genannt hatte.
»Vor dem Bankett empfängt die Königin von Frankreich nicht«, verkündete Mutter Guildford. Die Damen der Königin nutzten den Aufschub und drängten sie in ein Vorzimmer, wo der Herzog und seine Kumpane sie nicht sehen konnten. Ich bemerkte, daß der Herzog die Augen zusammenkniff. Er war es nicht gewohnt, daß man ihm in die Quere kam, soviel stand fest, und schon gar nicht bei Frauen. So sind die Franzosen. Empfindlich. Vor allem in diesen Dingen. Dauernd ziehen sie das Schwert, nur weil jemand auf ihren Schatten getreten ist oder sich beleidigend über den Wuchs ihres Schnurrbarts geäußert hat. Ich konnte sehen, daß er mit sich kämpfte, ob er Krach schlagen und die alte Dame zur Seite schieben sollte, doch die würde wahrscheinlich kreischen und einen schrecklichen Aufstand machen, aber ich konnte auch sehen, daß er trotz seiner Volltrunkenheit sehr beleidigt war, weil er seinen Kopf nicht durchsetzte.
»Die Frau nimmt sich zu wichtig«, knurrte er und drehte sich um. »Die soll mich kennenlernen.« Mißvergnügtes Geschimpfe folgte ihnen, als sie von dannen schwankten.
»Wirklich ein furchtbarer Skandal, Nan. Und ich glaube, der Herzog hat sie unbekleidet erwischen wollen.« Endlich lag ich zusammengekuschelt im Bett, hatte mich gegen die Kälte gut eingemummt und hustete so laut wie die Posaune des Jüngsten Gerichts. Alle waren zum Bankett gegangen, und da es in einem Flügel des königlichen Hôtel stattfand, konnten wir den Stimmenlärm und die Musik aus dem Saal hören und dazu das Gerenne von Köchen und Lakaien, wir brauchten nur die Fensterläden unseres kleinen Bodenfensters aufzumachen.
»Oh, wenn du wüßtest, was ich von dem Jungen gehört habe, der den Bratspieß dreht – siehst du, was ich mitgebracht habe? Das vermißt gewiß keiner, es ist ja soviel da. Und bei dem ganzen Gerenne und Gelaufe haben sie mich gar nicht bemerkt. Da draußen geht es hoch her. Auf der anderen Seite der Stadt hat man ein großes Freudenfeuer entzündet. Alles feiert.« Sie zog die Serviette von der Schüssel und zeigte mir, was sie mitgebracht hatte: ein paar Scheiben Schinken, schön würzig und heiß, dazu einen Laib Brot und eine Taschenflasche französischen Wein.
»Oh, Nan, bist du durchtrieben. Was würde ich bloß ohne dich anfangen? Hmm, sieht das gut aus. Ich werd's schon überleben.«
»Aber natürlich, Gott sei's gelobt, doch nicht, wenn du soviel durch die Gegend rennst. Oder möchtest du, daß sich der Husten in der Brust festsetzt? Heute abend mache ich dir einen Umschlag. Aber jetzt erzähle ich dir das von dem Jungen. Der sagt, er hat es vom Koch, der sogar noch besser Französisch spricht als du, und der hat es von einem Mitglied des herzoglichen Haushalts. Dieser Mann hat immer Appetit, einfach immer. Wenn er in Paris ist, kümmert er sich nie um seine Geschäfte, sondern treibt sich mit seinen Freunden in übel beleumdeten Häusern herum – mit diesem Bonnivet und Fleurange und Männern, mit denen er aufgewachsen ist, alles abgebrühte Radaubrüder. Sie reiten durch die Straßen und halten nach geeigneten Frauen Ausschau, die verfolgen sie dann nach Haus und fordern sie von ihren Ehemännern oder Vätern – oder täuschen oder bestechen sie. Ein ›Nein‹ kennen die nicht. Und die Frauen bei Hofe – oh! Man kann seine Eroberungen nicht mehr zählen, und dabei ist er erst zwanzig. Seine Schwester und seine Mutter, die drücken beide Augen zu. Und dann erst seine Schwester, die Herzogin von Alençon. Die soll sogar ein Buch schreiben.«
»Ein Buch? Aber sie ist doch keine Nonne? Also, Nan, das ist wirklich skandalös.«
»Der Skandal ist noch viel schlimmer. Man munkelt, daß es ein schmutziges Buch ist,
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