Die Suche nach dem Regenbogen
so niedriger Herkunft habe ich ihre Unterhaltung sehr erbaulich gefunden. Sie liest jeden Tag in frommen Büchern und scheint sehr viel über das Leben der Jungfrau Maria zu wissen…«
»Liest Bücher, sagt Ihr?«
»Oh, sehr tugendhafte Bücher. Von einem hat sie mir erzählt, es ist von einem gottesfürchtigen Mann, der Ehefrauen und Witwen Ratschläge erteilt. Ich finde, man sollte es ins Französische übersetzen, damit Witwen in ihrem Gram Hilfe und Trost finden.«
»Englische Tugenden ins Französische übersetzen, hmm«, sagte Marguerite, und um ihre Mundwinkel zuckte ein verhaltenes belustigtes Lächeln. »Ich finde, wir sollten uns dieses Wunderkind einmal anschauen. Schickt sie zu mir, wenn sie Euch wieder aufsucht.« Das muß sie sein, dachte Marguerite und betrachtete erneut die Zeichnung. Das ist die, die das Porträt gemalt hat, das uns de Longueville geschickt hat. Tugendhaft, ha! Ich locke die wahre Geschichte schon aus ihr heraus, und dann kann ich de Longueville damit hänseln. Aber die Idee mit dem Andachtstriptychon, die gefällt mir. Vielleicht lasse ich mir auch eins machen. Claude ist ein so schlichtes Gemüt, sie weiß diese Arbeit gar nicht zu würdigen. Der würde auch ein Affe als Abbild ihrer Mutter gefallen.
Am anderen Ende des Flurs wurde eine Tür geöffnet, und sie konnte jemanden mit eilenden Schritten durch die mit Gobelins geschmückten Gemächer zu Claudes Räumen laufen hören. Eine Ehrenjungfrau, jung und außer Atem, kam mit verrutschtem Kopfputz hereingestürzt.
»Madame! Madame! Neuigkeiten! Oh, was für ein Skandal! Die Königin weint in ihren Gemächern, und all ihre Damen weinen auch!«
»Was ist geschehen?« fragte Marguerite, während sich Claude und ihre Damen erwartungsvoll zu dem Neuankömmling umdrehten.
»Oh, Madame, der König hat das gesamte englische Gefolge der Königin entlassen. Er sagt, er duldet in ihren Diensten nur Franzosen und Französinnen.«
»Wißt Ihr mehr? Wie ist es dazu gekommen?«
»Ach, er ist sehr böse auf diese Madame Gil'for', die mit der Königin gekommen ist. Sie nimmt sich zuviel heraus und entscheidet, wer bei der Königin vorgelassen wird und wer nicht. Und immer ist sie dabei, selbst wenn er sich mit seiner Königin vergnügen möchte, und das kann er nicht, wenn jemand, der ihm mißfällt, ständig anwesend ist. Oh, er sagt, niemand liebt seine Frau mehr als er, aber lieber wäre er wieder allein, als daß er jemanden wie Madame Gil'for' als Gesellschafterin duldet. Und jetzt weint sie, und er muß das Bett hüten, weil er sich wegen seiner Gicht kaum bewegen kann.«
Claude und ihre Damen hatten sich um Marguerite und die Edelfrau geschart, denn alle wollten die Neuigkeit hören. »O ja, es waren viel zu viele Engländer«, sagte eine.
»Und wie hochnäsig sie getan haben. Ich konnte diese Mère Gil'for' auch nicht ausstehen, sie ist ein übellauniger Drachen.«
»Gut, daß sie gehen müssen. Sie hätten der Königin helfen können, Intrigen zu spinnen, und der König ist zu alt, als daß er sie noch ertappen würde.«
»Frankreichs Ehre steht auf dem Spiel…«
»O weh, o weh!« rief Claude. »Wenn sie zu schnell aufbrechen, wird ja mein Bild nicht fertig. Ich muß zu Monsieur und ihn bitten, daß er sich beim König für sie verwendet. Er darf die Malerin nicht zusammen mit den anderen fortschicken. Oder diese reizende kleine Anne de Boline. Und Mademoiselle Bouchier, ach, die ist doch fast eine Französin. Die können ihm gewiß nicht so mißfallen haben wie die hochnäsige Madame Gil'for'.«
Doch wie üblich hatte Gaillarde das letzte Wort. Sie genoß Narrenfreiheit und ließ sich auf den Stuhl der Herzogin plumpsen, reckte die Nase hochmütig in die Luft und sprach mit komisch starkem englischem Akzent. »Tut mir leid«, sagte sie naserümpfend, »aber die Königin empfängt heute nicht. Wer seid Ihr? Der Papst? Oh, ich bitte um Vergebung, aber Ihr müßt mit den anderen im Vorzimmer warten. Schließlich bin ich Madame Gil'for' und genieße in Riischmon' großes Ansehen. Oh? Noch nie von Riischmon' gehört? Das beweist, daß Ihr meiner Bekanntschaft nicht würdig seid.« Die Damen wollten sich schier totlachen über diese Nachahmung provinzieller Hochnäsigkeit, und Gaillarde klatschte in die Patschhändchen, daß die Glöckchen an ihrem roten Samtkleid klingelten, während sie sich selbst Beifall zollte.
Die Königin von Frankreich saß mit verweinten Augen in ihrem Gemach in Abbeville und diktierte ihrem
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