Die Suche nach dem Regenbogen
kalte Wind zerrte an ihrem Gewand und ließ die bestickten seidenen Fahnen des Hochzeitszuges flattern. Glanzlos fiel das graue Licht auf das goldene Gewand und funkelte so matt auf der Überfülle der Kleinodien, daß sie beinahe schwarz wirkten. Jetzt halfen ihr die kräftigen, bärtigen alten Edelleute in den mit Juwelen besetzten steifen Gewändern die Stufen hinunter. Hinter ihnen folgten dreizehn ihrer bevorzugten Hofdamen, jede ihrerseits von zwei Herren von Stand begleitet. Der herbstliche Garten, der Durchgang zu dem großen Saal des Hôtel de la Gruthuse, war ein farbenprächtiges, bewegtes Blühen. Ich blieb am Fenster, bis auch der letzte Page im Hochzeitssaal verschwunden war. Vermutlich hielt ich es irgendwie für meine Pflicht, mir die Szene und die Gewänder für einen noch unbekannten künftigen Zweck einzuprägen, aber alles verschwamm so eigenartig. Das Singen, die Lobreden, der Glanz, alles wirkte seltsam gedämpft, so als hätte sich ein böser Schatten darübergelegt. Vielleicht kommt das vom Fieber, dachte ich und tastete mich zum Bett zurück. Nach einer kurzen Pause regnete es schon wieder in Strömen. In der Ferne, weit hinter den grauen Türmen des Hôtel de la Gruthuse, konnte ich den Donner rollen hören.
Claude von Frankreich, Erbin der Bretagne, älteste Tochter der Anne von Bretagne und des französischen Königs, Herzogin von Angoulême, saß in ihrem Ankleidezimmer, wo ihr mehrere ihrer Lieblingshofdamen Gesellschaft leisteten, dazu ein halbes Dutzend gefleckter, haariger Schoßhündchen, die Herzogin von Alençon, ihre Schwägerin, und Gaillarde, die Hofnärrin, eine hitzige, scharfzüngige kleine Frau mit dunklen Augenbrauen, die kaum größer war als ein Zwerg. Claude selbst überragte die kleine Frau nur um ein, zwei Zoll, sie hinkte und war zudem ungeheuer fett, ihr Gesicht war von einer sonderbaren Krankheit aufgedunsen, ihre Augenlider waren geschwollen, und sie schielte. Es lag am Blut, das wußte jeder. Sie ähnelte ihrer Mutter zwar, doch irgend etwas mußte schiefgegangen sein, denn die französische Prinzessin war nicht nur häßlich, sondern anormal. Dabei war sie sanft und von schlichtem Gemüt und hatte das zwanzigste Lebensjahr noch längst nicht erreicht. Und anscheinend waren die Menschen, wie um die Grausamkeit der Natur wettzumachen, um so freundlicher zu ihr. Als einzige bei Hofe hatte sie keine Feinde. Sie konnte einfach nicht begreifen, daß man sie ausnutzte. Für sie sah jeder gut aus und war klug und tugendhaft. Und weil es die Höflinge genossen, sich so großartig in ihrer Schlichtheit gespiegelt zu sehen, schenkten sie ihr nie reinen Wein ein.
»Oh«, sagte sie und betrachtete bekümmert das bestickte purpurrote Samtgewand, das sie trug, »dieses Kleid macht mich traurig. Mutter ist noch kein Jahr tot, und schon befiehlt der König, daß ich zu Ehren meiner Stiefmutter die Trauerkleidung ablege. Selbst bei meiner eigenen Hochzeit mit dem Herzog habe ich Schwarz getragen. Wie konnte er Mutter nur so schnell vergessen.«
»Wenn ein Mann eine rothaarige Frau sieht, hat er nichts anderes mehr im Kopf«, sagte Gaillarde mit ihrer komischen Baßstimme, trippelte erhobenen Hauptes und ahmte die neue Königin auf ihre drollige Art nach. Marguerite, Herzogin von Alençon, lachte schallend. »Er hat dem Hof erzählt, er hätte letzte Nacht dreimal den Fluß überquert und hätte noch öfter gekonnt, wenn er gewollt hätte. Ein Wunder der Natur! Daran ist das rote Haar schuld.« Gaillarde tätschelte den eigenen dunklen Kopf, als wollte sie sich putzen. Jetzt lachte sogar Claude. Dann wurde ihr Blick ratlos.
»Dreimal?« sagte sie langsam. »Aber nicht einmal Monsieur, der soviel jünger ist…« Sie schüttelte gedankenverloren den Kopf. »Das kommt daher, daß er der König ist«, verkündete sie, als hätte sie ein schwieriges Rätsel gelöst.
»Das muß es sein!« rief Gaillarde, und Marguerite lachte höhnisch. Ihre Mutter, Louise von Savoyen, war so furchtbar wütend, daß sie den Festlichkeiten ferngeblieben war, ihre Ausrede war Krankheit und der Straßenzustand. Doch Marguerites Mann hatte bei den Feierlichkeiten eine Hauptrolle gespielt, und so hatte Marguerite notgedrungen gelächelt und innerlich gekocht, als der alte Mann seine Hochzeit mit einer Frau feierte, die ihren Bruder den Thron kosten konnte. Was bildete sich diese Frau nur auf ihre Schönheit ein, wie kalt und hochfahrend war sie doch! Und wie albern sich der alte König benahm.
Weitere Kostenlose Bücher