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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Ekelhaft! Und was für ein Gefolge sie mitgebracht hatte, und alle plapperten in dieser fremden Zunge, waren ungehobelt, angeberisch und hatten kein Benehmen!
    »Hier wird sich alles ändern«, sagte Marguerite. Sie überlegte, ob sie Claude für ihre Sache gewinnen konnte. »Engländer auf Schritt und Tritt. Und alle sind auf Gunst und Einfluß aus. Wenn man bedenkt, daß sie erst gestern unsere Städte angegriffen haben.«
    »Gestern? Ich dachte, gestern war die Hochzeit… ja, gewiß war die gestern. Die Ausländerin hat ein großes Gefolge mitgebracht, weil sie ihre eigene Sprache hören möchte. Das hat Mutter auch so gemacht. Sie war nicht glücklich, wenn sie nicht rings um sich Bretonisch hörte. Natürlich ist Englisch anders. Bretonisch hört sich so heimelig an, aber dieses Englisch! Wie kann eine Sprache nur so häßlich klingen! Gewiß schämen sie sich für ihre Sprache. Und werden zweifellos Französisch lernen.«
    »Ha! Die bilden sich doch ein, sie sprechen Französisch!« verkündete Gaillarde. »Hei, Mussiee, weck da mit dem Ferd, ich bin ein Edelmaan, vadammich!« Und dazu machte sie den wiegenden prahlerischen Gang eines englischen Edelmanns nach. Alle Damen kicherten. Das ermutigte Gaillarde, und so setzte sie noch ein lüsternes Grinsen auf, schob sich ein imaginäres Barett übers Auge, zupfte an der Taille eines imaginären Wamses und tat, als hielte sie Ausschau nach einer zugänglichen Dame. Claude blickte ratlos, aber als sie die anderen lachen hörte, täuschte auch sie ein Lachen vor, damit sie sich nicht so ausgeschlossen vorkam.
    »Oh, Madame, so sind sie, genau so. Sie haben keine Manieren!« rief eine ihrer Damen.
    »Aber einige Damen der Königin haben wunderbare Manieren«, sagte Claude. »Die, die so schön Musik gemacht hat, beispielsweise, Mademoiselle de Boline. Sie ist am Hof der holländischen Regentin erzogen worden und spricht Französisch fast wie eine von uns. Und oh! Madame d'Alençon, ich muß Euch etwas zeigen –« Claude ging zu einer großen Truhe und stöberte unter den Handschuhen und Strümpfen herum, die sie darin aufbewahrte. Dann hielt sie triumphierend ein Blatt Papier hoch. »Da«, sagte sie, »ich kann also doch wiederfinden, was ich weggelegt habe. Seht Euch das hier an.« Sie brachte das Papier mit und breitete es auf ihrem Ankleidetisch aus, so daß Marguerite und ihre Damen es betrachten konnten. »Das hier, unter den Engeln, das wird die Königin, meine Mutter, und das auf der anderen Seite wird der König in voller Rüstung und auf den Knien. Und dort in der Mitte, am Rocksaum der Jungfrau, seht Ihr das süße kleine Kind mit den Flügeln? Das ist mein Bruder, der Dauphin. So hat er ausgesehen, ehe er gestorben ist. Sie malt alle genau in dieser Größe und setzt die Rahmen mit einer Art Türangel aneinander. Und ich habe dann ein Triptychon, das ich zusammenklappen kann. Seht Ihr? Das Ganze wird nicht größer als meine Hand.« Und mit freudestrahlendem Blick legte sie ihre fette kleine Hand neben die größte Figur, eine Jungfrau Maria auf einer Wolke mit einem geflügelten Engel, der um die Ecke lugte, und einem kleinen Cherub, der sich im Saum ihres fließenden Gewandes verfangen hatte. »Das kann ich überallhin mitnehmen, es soll mich stets an die Güte der Jungfrau Maria und an den Segen des Himmels gemahnen.«
    »Sie?« sagte Marguerite. »Wer macht das für Euch?«
    »Oh, dieser heilige Mann, dieser englische Erzbischof Wulsei hat eine ausnehmend kluge und gottesfürchtige Witwe mitgeschickt, und die malt wunderschöne, winzige Gemälde, die uns den Himmel näher bringen. Ihr seht also, nicht alle Engländer sind schlecht. Schließlich sind wir alle Christenmenschen.«
    »Ja, das sind wir«, pflichtete Marguerite ihr bei. »Gottesfürchtig, sagt Ihr?«
    »Oh, sehr gottesfürchtig. Zunächst dachte ich, vielleicht sollte ich ihre Dienste nicht in Anspruch nehmen. Es schickt sich nicht für eine ehrbare Frau, in der Welt herumzureisen, und das ohne Ehemann. Aber sie hat gesagt, sie sei Witwe und ihr Mann hätte sie mittellos zurückgelassen, weil er ermordet wurde, der Arme, daher muß sie sich allein durchbringen. Also dachte ich, es kann doch nicht schaden, wenn ich mir einmal ansehe, was sie leistet. Und sie ist wirklich äußerst ehrbar. Nie sieht man sie ohne eine sehr grimmige, mürrische alte Engländerin, die ihre Ehre besser schützt als eine Mutter. Doch während sie gezeichnet hat, haben wir uns unterhalten, und für eine Person von

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