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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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»Morgen«, sagte sie, »um die gleiche Zeit. Und bringt das Triptychon mit, ich möchte die Fortschritte sehen.«
    Die Künstlerin verneigte sich, was Zustimmung und Lebewohl zugleich bedeuten mochte, schloß ihren Kasten, klappte die kleine Staffelei zusammen und zog sich wortlos zurück. Marguerite bedauerte, sie nicht aufgehalten und über den Geist befragt zu haben. Typisch Claude, da muß sie doch mit der bedauernswerten Ausländerin Französisch sprechen, und die versteht offensichtlich kein Wort. Doch dann schoß ihr ein Gedanke durch den Kopf, bei dem ihr der Atem stockte.
    »Madame Claude, liebe Schwester, diese Malerin wirkt sehr gescheit.«
    »Ei ja, das ist sie auch. Sie malt mir ein Andachtstriptychon mit Mutters Porträt und Engeln.«
    »Aber sie spricht kein Französisch, oder? Woher weiß sie, was Ihr wollt?«
    »Oh, sie spricht sehr nett Französisch«, sagte Claude, »ein wenig langsam zwar und mit einem wirklich wunderlichen Akzent. Nicht richtig englisch. Ich halte ihn für flämisch. Aber ich kann sie verstehen. Gleichwohl lasse ich sie nicht zuviel reden, denn von Akzenten bekomme ich Kopfweh.« Marguerite wurde eiskalt ums Herz. Mein Gott. Alles vor den Ohren einer Bediensteten der Engländer enthüllt. Rasch rief sie eine von Claudes Dienerinnen herbei.
    »Such bitte sofort nach der Malerin. Bring sie in meine Gemächer, sie soll dort auf mich warten, aber sonst darf niemand sie sehen. Sag ihr, daß ich komme, sobald ich mich hier freimachen kann.«
    »Marguerite, liebe Schwägerin, stimmt etwas nicht?«
    »Aber nicht doch, liebe Claude. Ich bin nur neidisch auf Euer schönes Porträt. Ich würde mich auch gern malen lassen.«

Kapitel 18
    A n dem Tag, als die Bediensteten der Königin fortgeschickt wurden, war auch ich dabei, meine Kiste zu packen, und überlegte, wie Nan und ich es wohl ohne Geld und noch dazu ohne Pferd und Wagen nach Boulogne schaffen sollten, da ja alle anderen nach Paris weiterreisten, als ein französischer Lakai mit einer Liste kam und sagte, ich könne bleiben.
    »Das muß diese Madame Claude sein. Sie möchte ihre Engel fertiggestellt haben«, sagte Nan. Doch für den Rest des Tages sahen mich alle mit verweinten Augen mißtrauisch an, so als hätte ich etwas Unrechtes getan, und als sie zwei Tage später aufbrachen, war ich froh, denn eine Frau, die für Lady Guildford wusch, hatte das Gerücht ausgestreut, ich dürfe bleiben, weil ich ein Verhältnis mit einem Lakai des Dauphins angefangen hätte, und eine richtige Engländerin wäre ich ohnedies nicht. Was könne man schon von jemandem erwarten, der Französisch spräche und so von oben herab tue wie ich. Ich weiß, es war nicht recht, daß mich das aufbrachte, aber ich war böse, und es half auch nicht, daß ich in meinem Buch die Stelle von der unendlichen Geduld der Jungfrau Maria gleich mehrmals hintereinander las, um mich zu beschwichtigen. Die Lektüre überzeugte mich nur davon, daß es einfach hoffnungslos war, ihr nachzueifern, ganz abgesehen davon, daß mein Stand längst nicht so hochgestellt wie ihrer war, und jungfräulich war ich auch nicht mehr.
    Doch Arbeit heiterte mich wieder auf, und selbst unterwegs mit dem Hof nach St. Denis, vor Paris gelegen, arbeitete ich an der Zeichnung zu Madames Engeln, denn auf Reisen kann ich nicht malen, weil ich ja Holz für die Tafeln brauche, und Hasenleim konnte ich auch nicht kochen, denn dazu braucht man eine eigene Wohnung, weil er so komisch riecht. Die Engel wurden lustig, alle hatten Hadriels Gesicht, obschon ich ihrem Haar verschiedene Farben gab. Ich dachte viel an ihn, denn schließlich bekommt nicht jeder einen echten Engel zu sehen. Aber leider gehen die ihre eigenen Wege, daher kann man im Alltagsleben nicht auf sie zählen, nur daß ich das nicht jedem gleich sage. Dennoch waren diese Gedanken sehr erhebend und flossen in das Bild ein, das ich für Madame Claude malte, die winzige Dinge sehr gern hat, vor allem Illuminationen, und die nach einer Geldquelle aussah, da sie regelmäßiger zahlte als viele dieser hohen Herrschaften.
    Ein Glück, daß ich trotz meiner ständigen Geldknappheit – denn noch hatte niemand bezahlt – reichlich Pergament allererster Güte besaß, und so schnitt ich einfach immer mehr von dem Ding ab, das Master Dallet gehört hatte. Der beschriebene Teil taugte nicht für Porträts, aber ich überlegte, ob ich die Tinte nicht mit irgend etwas ablösen, das Pergament neu schleifen und polieren, eine dicke Grundierung

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