Die Suche nach dem Regenbogen
sich nicht. Ihre Augen blickten gescheit, und ihre Gedanken blieben im Gegensatz zu dem quietschenden, knarrenden Uhrwerk der armen Claude verborgen.
»Erzählt mir von Erzbischof Wolsey. Ist er ein alter Mann, und tut er gern gute Werke? Ich habe gehört, daß er oft kränkelt, und würde ihm gern ein Zeichen meiner Gunst senden.« Aha. Das ist mir eine ganz Schlaue, diese Dame, dachte ich. Wenn ich jetzt etwas Privates sage, hält sie mich für eine Klatschbase.
»Madame, der Erzbischof hat mich nicht in seine Geheimnisse eingeweiht, ich stehe zu niedrig, als daß ich genauere Kenntnis von so hohen Herrschaften hätte.«
Sie lächelte. »Ihr zeigt die gebührende Diskretion«, sagte sie.
»Madame, mein Wahlspruch lautet: ›Reden ist Silber, Schweigen ist Gold‹, vornehmlich bei einer Frau.«
Sie kniff die Lippen zusammen, und ihr Blick wurde mißmutig. »Woher habt Ihr diesen Sinnspruch?« fragte sie.
»Madame, aus einem Buch über Tugenden, das mir meine Mutter geschenkt hat. Es heißt Rathgeber für das treffliche Eheweib und handelt von gutem Benehmen in allen Lebenslagen. Außerdem enthält es ein hervorragendes Rezept für gebratene Brassen, aber das für Talgpudding, das will einfach nicht gelingen.«
Es kam mir vor, als sähe ich es um den Mund unter der langen, langen Nase zucken. Irgendwie erschien sie mir zu neugierig, zu humorvoll, als daß sie die böse, intrigante Dame sein konnte, für die ich sie gehalten hatte.
»Und warum klappt dieses Rezept nicht, wenn das Buch sonst so ausgezeichnet ist?« fragte sie.
»Ach, ich habe wohl nicht richtig nachgelesen. Der Mann, der das Buch geschrieben hat, ist sonst in allem so klug, da weiß er gewiß auch, wie einem der Talgpudding gelingt.«
»Hat er noch andere Rezepte, die unbefriedigend ausfallen, oder ist es nur das eine?« fragte sie und verbiß sich dabei ein Lächeln.
Ich seufzte tief. »Es gibt eins für Ehemänner, die ihr Vergnügen anderweitig suchen. Es sagt, man soll jener Dame nacheifern, die sich so um das Wohlergehen ihres Mannes sorgte, daß sie der armen Frau, mit der er schlief, die eigene Bettwäsche schickte, damit er es noch bequemer habe.«
»Die Geschichte kenne ich«, sagte die Herzogin. »Die Bettwäsche trug ihr Monogramm eingestickt, und als der Ehemann das sah, da schämte er sich und kehrte zu ihr zurück. Und das habt Ihr tatsächlich ausprobiert?«
»Es ging nicht, Madame. Mein Mann hatte doch die Bettwäsche versetzt und ihr davon ein Armband gekauft.« Ich merkte, wie mir das Gesicht brannte, so ergrimmte mich die Erinnerung.
Die Herzogin lachte schallend, obschon ich wirklich nicht wußte, was es da zu lachen gab. »Aber gleichwohl würdet Ihr sagen, das Rezept könnte trotz Eurer schlechten Erfahrung gelingen.«
»Ja, natürlich. Mein Mann muß das Buch vor mir gelesen haben. Und da er wußte, daß der fromme Mann, der es geschrieben hat, immer recht behält, war ihm klar, daß er nicht zurückkommen mußte, wenn er die Bettwäsche verkaufte«, erklärte ich.
Die Herzogin prustete vor Lachen, was wirklich ziemlich ungezogen von ihr war. »Sagt, Maîtresse Suzanne, wenn ich Eure Gönnerin würde, schweigt Ihr dann über alles, was Ihr aus meinem Mund gehört habt?«
»Madame, ich würde auch ohne diese große Ehre schweigen. Ich plaudere nicht aus, was mich nichts angeht. Und außerdem, wer würde mir schon Glauben schenken? Wegen meiner Malerei hält man mich schon jetzt für nicht ganz bei Trost.« Bei dem Gedanken seufzte ich.
Die Herzogin lachte schon wieder und sagte: »Ich glaube, ich habe mich nicht in Euch getäuscht, und ich dachte an mehrere Aufträge, solange wir in Paris sind. Sagt, habt Ihr ein Atelier?«
»Nein, Madame. Bis ich ein eigenes Zuhause habe, muß ich mich auf Miniaturen beschränken, weil ich die Farben dafür auf Wasserbasis mischen kann. Aber woher soll ich in einer fremden Stadt mit möglicherweise mächtigen Zünften bekommen, was ich benötige?«
»Dazu werdet Ihr mich brauchen. Ich bin in diesem Land eine bedeutende Schirmherrin der Künste. Wenn ich Euch gewogen bin, wagt es niemand, Euch in die Quere zu kommen. Ich kümmere mich darum, daß Ihr Euer Atelier bekommt.« Ich merkte, daß sie mein Gesicht prüfend musterte, und wußte, sie hatte die Dankbarkeit in meinen Augen gesehen. Ihre Züge entspannten sich, und jetzt war ihr Lächeln echt. »Es gefällt mir, eine Frau zu fördern, die in einem Männergewerbe arbeitet. Im Buch von der Stadt der Frauen sind kunstfertige
Weitere Kostenlose Bücher