Die Suche nach dem Regenbogen
Fahnenträger, berittene Leibwachen und Trompeter, alles zog dem König entgegen, der die meisten Festlichkeiten ausgelassen hatte, vor ihr eingezogen war und sich zu Bett begeben hatte. Es war ein höchst prächtiger und erhebender Anblick, und alle redeten über nichts anderes als über das große Turnier zwischen England und Frankreich, das noch großartiger werden würde als der Einzug der Königin. Großartiger als alles, was man jemals gesehen hatte. Es sollte zu Ehren der Königin abgehalten werden, und der Dauphin hatte sich das Ganze ausgedacht.
»Nan, das Turnier muß ich einfach sehen.«
»Unfug. Der einzige sichere Platz für eine Frau ist die Tribüne, aber die ist den feinen Damen vorbehalten.«
»Ich muß aber hin. Alle behaupten, dergleichen hat man noch nie gesehen. Ich nehme eine Staffelei mit und sage jedem, daß ich den Auftrag habe, einen Druck von dem Fest zu machen.«
»Schon wieder eine schreckliche Lüge. Wer würde dir das wohl abnehmen? Keine ehrbare Frau läßt sich so blicken. Man wird über dich herfallen. Warum versuchst du nicht, von einem Fenster in Les Tournelles aus zuzusehen? Und regnen wird es wahrscheinlich auch. Willst du schon wieder krank werden? Dieses Mal könnte es sich zum Lungenfieber auswachsen. Denk daran, du könntest sterben, nur weil du so töricht warst…«
Aber je eindringlicher Nan warnte, desto mehr verlangte mich danach, mir das Ganze anzusehen. Und das ganz und gar nicht von weit weg aus einem Fenster über dem Park von Les Tournelles.
»Das allererste, was man in Paris tut, Lord Belphagor, man wechselt sein Geld. Und dann auf zum Cour des Miracles, wo man ein, zwei durchtriebene Franzosen als Leibdiener anheuert. Wir wollen doch Augen und Ohren in dieser Stadt haben und Männer, die sich nicht fürchten, im Dunkeln das Messer zu benutzen.« Crouchs Stimme klang vertraulich, weltläufig. Belphagor blickte ihn ungeduldig an.
»Hört, Crouch, die Unterteufel machen alles für mich, was ich will. Ich brauche keine gerissenen Burschen in meinen Diensten. Da wären mir ein, zwei freundliche, unschuldige Seelen lieber. Die sind anfangs vertrauenswürdiger und hinterher einfach köstlich.«
»Ach, aber sprechen Eure Unterteufel Französisch? Selbst Watkin hier kennt sich nicht gut genug aus, als daß er unsere heikleren Botengänge erledigen könnte.«
»Ihr sprecht Französisch. Ihr erledigt meine Botengänge«, sagte Belphagor unverblümt, und da Crouch Dampf aus seinen Ohren kommen sah, nickte er und lächelte matt.
»Eine ausgezeichnete Idee, Lord Belphagor. Wir wollen so wenig Leute wie möglich in unseren Plan einweihen«, sagte der gerissene Hexenmeister. Du Narr, flüsterte er im stillen. Es dauert nicht mehr lange, und ich besitze deine ganze schwarze Macht und deine Unterteufel obendrein. Du hast schon zuviel verraten.
»Crouch, Ihr treibt diese Verschwörer für mich auf; ich will gemeinsame Sache mit dem Steuermann machen und die Valois vernichten.«
»Aber das Manuskript…«
»Geschreibsel. Was soll mir das? Ich brauche es nicht.«
»Aber ich… Ihr braucht es, Lord Belphagor. Ihr müßt ihr Geheimnis kennen. Und wenn sie an der Macht sind, könnt Ihr sie an ihre Feinde verraten.« Dieser Dämon ist ein Kind, dachte Crouch. Wie einfach man ihn ablenken kann, wenn man ihm Unheil verspricht! Es ist, als ob man einem Kleinkind eine Süßigkeit anbietet.
»Gut, dann besorgt auch das.«
»Wir müssen Mistress Dallet finden.«
»Was meint Ihr mit ›wir‹? Ich bin jetzt ein Mann von Stand, und Ihr, Crouch, tut gefälligst, was ich Euch sage. Ihr treibt sie auf. Denkt daran, alle Reichtümer dieser Erde. Was meint Ihr, sollte ich Schwert und Dolch tragen, oder wirkt das am französischen Hof übertrieben? O ja, und sucht mir einen Tanzlehrer. In Calais habe ich einen Herrn sagen hören, daß man bei niemandem von Bedeutung empfangen wird, wenn man nicht die neuen Schritte beherrscht.«
Crouch knirschte mit den Zähnen. Ich habe meine Sache zu gut gemacht, dachte er. Gleichwohl, es lenkt ihn ab, und das kann ich zu meinem Vorteil nutzen.
Umstehende bekamen nichts von dieser Unterhaltung mit. Sie sahen nur zwei vornehm wirkende ausländische Herren auf schwarzen Maultieren, denen ein Spitzbube von Lakai auf einer alten gescheckten Stute durch die schmalen, verschlammten Straßen des rechten Seine-Ufers folgte. Einer der Herren war so rund, daß er seinem Maultier offensichtlich zu schwer war. Seine Fülle hing über den Sattel, daß es
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