Die Suche nach dem Regenbogen
wäre, denn sie hatte ein sehr liebreizendes Gesicht. Und die Künstler in Paris hielten sie für einfühlsam, ganz abgesehen davon, daß sie ihnen bereitwillig ohne Auftrag gemalte und sonst unverkäufliche Werke abnahm. Vielleicht lag es am Anblick eines neuen Werks im italienischen Stil oder an dem heiteren Lächeln einer Madonna aus Elfenbein, die in einer Ecke aufgestellt war, oder an dem humorvollen, ermutigenden Blick der Händlerin, wenn sie sagte: »Ei, hier auf der Hand ist der Pinselduktus einfach vollkommen! Was soll das heißen, der Graf will Euch das nicht abnehmen? Dann besitzt er eben ein Meisterwerk weniger.« Doch woran es auch immer liegen mochte, ein Mann trat entmutigt ein und ging voller neuer Einfälle. Und zuweilen auch eine Frau, denn viele Illuminatoren in der Stadt waren Töchter oder Ehefrauen von Herstellern seltener Bücher, und die Frau in dem Laden handelte auch mit erlesenen Manuskripten und antiken Meß- und Stundenbüchern.
»Ah!« sagte Hadriel, warf seinen alten grauen Umhang ab und reckte die Flügel. »Kein einziger Kunde heute! Die sind wohl alle unterwegs und versuchen, eine Einladung zu dem Turnier zu ergattern. Das gesellschaftliche Ereignis für tout Paris ! Ein wenig höher, meine Lieben, und mehr nach rechts.« Hoch oben, dicht unter der Decke, hielt ein halbes Dutzend zwitschernder kleiner Cherubim, deren Flügel schneller flatterten als die eines winzigen Zeisigs, eine üppig in Gold gerahmte Leinwand mit einem Porträt des heiligen Hieronymus. Ein siebter hämmerte einen großen Nagel in die Wand. »Ja, richtig! Wunderbar!« rief Hadriel und klatschte erfreut in die Hände, und die kleinen, lockenköpfigen Geschöpfe kamen herabgeflattert, setzten sich auf den Ladentisch und verstauten den Hammer darunter.
»Heute habe ich Uriel gesehen. Er ist wie eine Gewitterwolke über die Stadt geflogen. Was machst du, wenn er dich erwischt, Hadriel?« fragte einer der Cherubim.
»Ach, ich tue doch nur meine Pflicht. Was kann ich dafür, wenn ich eine Erleuchtung hatte, wie ich sie am besten erfüllen kann? Und was ich jetzt alles schaffe! Hierhin fliegen, dorthin fliegen und die Leute inspirieren, das heißt, seine Zeit schlecht zu nutzen. Jetzt, da ich ein Geschäft eröffnet habe, kommen alle zu mir. Künstler sind eben Künstler, und jeder, der hierherkommt, liebt schöne Dinge und verlangt nach Wundersamem, und ich inspiriere sie gleich in Scharen. Wenn ich erst einmal die Schwachpunkte beseitigt habe, bekommt ihr alle eine Zweigstelle, so wie es die italienischen Bankiers machen. Ach, ihr könnt mir glauben, ich hätte mir zwischen Rom und Florenz noch die Flügel wund geflogen! Und wie viele Künstler habe ich vernachlässigt. Für die Skythen habe ich seit Jahrhunderten keine Zeit gehabt. Was nutzt es, Engel der Kunst zu sein, wenn man seine Geschäfte so eingeschränkt und altmodisch führen muß.«
»Den Erzengeln wird das gar nicht gefallen. Die können Veränderungen nicht leiden. Du bekommst gewiß Ärger«, bemerkte ein kleiner Cherub, und seine dunklen Augen blickten ernst.
»Ah, pah! Was wäre die Welt ohne Neuerungen? Es wird Zeit, den alten Burschen klarzumachen, daß sie zu steifleinen sind! Schließlich inspiriere ich ja auch nicht immer die gleiche, alte Kunst. Sonst würden diese Sterblichen noch heute Wisente auf Felswände malen. Und jetzt, seht nur!« verkündete Hadriel fröhlich und deutete mit der Hand um sich. »Ich hatte, glaube ich, noch nie soviel Spaß, seit ich bei Mistress Susanna vorbeigeschaut habe. Fast möchte ich mir freinehmen und mir das Turnier ansehen. So wie sich die Pariser damit haben, muß es wirklich sehenswert sein.«
»Hadriel, du spielst zuviel. Und du weißt, daß man sehr böse auf dich sein wird, falls es herauskommt. Angenommen, man erzählt es Vater?«
»Aber es ist nur gerecht, wenn ich mir ein wenig Freizeit gönne, schließlich spare ich viel Zeit durch verbesserte Geschäftsmethoden, oder? Nur gerecht«, sagte Hadriel als Antwort auf seine eigene Frage. Er zog einen Kamm aus seinem ungewöhnlichen Gewand, schaute in den Spiegel, der zum Verkauf an die Wand gehängt worden war, und kämmte sich die durchscheinenden Locken in die Stirn. Darauf drehte er den Kopf hin und her und bewunderte die Wirkung.
»Hadriel, dürfen wir auch hin?«
»O ja, ich auch, ich auch!« riefen die anderen.
»Und ich dachte, ihr habt etwas gegen Spiele«, sagte Hadriel.
»Wir doch nicht.«
»Arbeiten wir nicht auch?«
»Ja, und für
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