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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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und tugendhafte Frauen für alles Schöpferische zuständig, was Gott höchst wohlgefällig ist.«
    »Es gibt irgendwo eine Stadt der Frauen?«
    »Es ist ein Buch, keine Stadt«, antwortete sie in dem schulmeisterlichen Ton, mit dem man einen Lehrling verbessert. »Christine de Pisan hat es zur Verherrlichung von Frauentugenden geschrieben, und sie gilt in unserem Land als namhafte Dichterin.« Was für ein Land, dachte ich. Kein Wunder, daß es so schrecklich sündhaft ist. Allüberall Frauen, die Bücher schreiben. Aber ich kann es mir nicht leisten, wählerisch zu sein. Das Bild von meinem eigenen Atelier tanzte vor meinen Augen. Wann würde die Königin, so isoliert und gedankenlos, wie sie war, ausreichend Macht und Einfluß besitzen, um mir zu dem zu verhelfen, was ein Künstler zur Ausübung seines Gewerbes braucht? Als ob sie mir auch nur einen Penny gezahlt hätte, selbst wenn es ihr besser gegangen wäre. Außerdem kam jeder Sou für den Unterhalt ihrer Dienerinnen jetzt vom französischen König, und der war sehr knauserig und hatte auch noch nicht gezahlt. Dann fiel mir ein, daß auch Wolsey mir keinen Vorschuß auf die ausgesetzte Summe von fünfzehn Pfund im Jahr gegeben hatte, und so erschien mir die Schirmherrschaft der Herzogin, auch wenn sie für mich ein wenig zu, na ja, französisch war, in immer rosigerem Licht. Ich hörte sie stillvergnügt lachen. Wie ärgerlich. Da hatte ich mich in Gedankenlesen geübt, sie aber auch.
    »Ich möchte, daß Ihr uns aus dem Buch vorlest und es gleich ins Französische übersetzt, damit meine Damen und ich über seine Vorzüge disputieren können«, sagte sie. Über ein Buch der Tugend disputieren? Ich war entsetzt. Was gibt es über Tugend zu disputieren? Ich spürte, wie das Sündhafte dieses Tuns mich mitriß. Mir war durchaus klar, was diese Hofdamen mit den losen Sitten dazu sagen würden. Das hatte ich nun von meiner Schlechtigkeit. Alles hatte an dem Tag angefangen, als ich auf die schiefe Bahn geriet und es aufgab, ein wahrhaft gutes Eheweib zu sein, und die Verfehlungen meines Mannes als Ausrede für mein eigenmächtiges Tun nutzte. Und nun irrte ich verloren an einem fremden Hof voller Intriganten herum. Ashford war tot, und alle hatten vergessen, warum Wolsey mich eigentlich hergeschickt hatte. Ich wußte nur noch, daß er Porträts haben wollte, doch von wem, das hatte er mir nicht gesagt, und er wollte wissen, wie viele Gemälde der König hatte, doch die hatte ich ohnedies noch nicht zu sehen bekommen. Irgendwie gehörte ich zum Gesinde der Königin, nur daß sie mich nicht bezahlte; mich bezahlte Herzogin Claude, doch nicht als ihre Dienerin. Und jetzt hatte ich anscheinend so etwas wie eine Gönnerin, aber nur, wenn ich es mir nicht mit ihr und den übrigen verdarb. Und obendrein wollte sie mich nicht nur als Malerin, sondern auch als Hofnärrin haben.
    »Aber nicht doch«, sagte Marguerite von Alençon. »Gaillarde kann nicht lesen.« Sie lächelte ihr zweideutiges, schmales Lächeln, mit dem ich sie später auch malte. Dann musterte sie mich von Kopf bis Fuß mit allzu berechnendem Blick. »Sagt«, meinte sie, »würdet Ihr Euch gern wieder verheiraten? Wenn mir Eure Arbeit zusagt, könnte ich für Euch eine Ehe mit einem ehrbaren Herrn von Stand aus meinem Haushalt arrangieren.«
    Meine Augen weiteten sich vor Entsetzen.
    »Ach ja, die Bettwäsche«, sagte sie lachend. »Maîtresse Suzanne, habt Ihr noch nicht gelernt, daß Männer nicht alle gleich sind? Wenn Ihr in Frankreich leben wollt, müßt Ihr philosophischer werden. Tugend muß sich an der Wirklichkeit erproben, sonst ist sie nur Phantasterei. Oder Heuchelei. Vergeßt nicht, morgen zu kommen, und bringt Euer Buch mit.« Im Hinausgehen wunderte ich mich über diese französische Dame, die seltsamer wirkte als jeder andere, den ich je kennengelernt hatte, ausgenommen vielleicht ich selbst.

    Man hat mir erzählt, daß der Dauphin Franz bei der Krönung höchstpersönlich die Krone über den Kopf der Königin hielt, um ihr deren Gewicht zu ersparen, doch gesehen habe ich es nicht. Ich konnte mir gut vorstellen, daß er die Gelegenheit dazu nutzte, ihr unzüchtige Blicke aus scharfen, kleinen Augen zuzuwerfen, wie ich das früher schon bei ihm gesehen hatte. Als sie erst einmal gekrönt war, hielt die Königin durch die Porte St. Denis triumphal Einzug in Paris, wo Nan und ich uns bereits das neue Atelier angesehen hatten, das einer von Herzogin Marguerites Advokaten für uns gemietet

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