Die Suche nach dem Regenbogen
dich. Du bist an allem schuld«, zwitscherten die hellen Stimmchen der Cherubim. Sie waren weder Mädchen noch Jungen, ebensowenig wie Hadriel Mann oder Frau war, obschon die Sterblichen, die sich einbilden, ihre Art, Geschäfte zu treiben, wäre die einzig richtige auf der ganzen Welt, sie dauernd nach Geschlechtern einordnen wollten. Der Vater hatte sie zuerst erschaffen, doch dann war Er bei der Erschaffung des Menschen vom Modell abgewichen, aber keiner wußte, warum. Am Ende befriedigten Ihn beide Modelle nicht so recht, wie jedermann weiß, der einmal darüber nachgedacht hat. Hadriel selbst glaubte, Ihm könnte einfach die Puste ausgegangen sein, doch Hadriel kam immer auf die abwegigsten Gedanken. Die Erzengel hatten mehr als einmal ein Wörtchen mit ihm reden müssen, und Hadriel hatte auch immer wieder Besserung gelobt, dann aber alles vergessen. Folglich gerieten die Künstler auf der ganzen Welt auf Abwege. Sie malten bärtige Patriarchen als Akt, beschäftigten sich insgeheim mit Anatomie und gruben antike heidnische Statuen aus, die sie kopierten. Das brachte alle auf schlimme Gedanken, und schwupps veränderte sich die Welt, und die Erzengel machten sich wieder einmal auf die Suche nach Hadriel und hielten ihm vor, welch furchtbaren Schaden seine verdrehten Gedanken in einer Welt schlichter, leichtgläubiger Gemüter anrichten konnten.
»Ach, tatsächlich?« gab Hadriel zurück. »Ja, ich allein bin schuld. Wollen wir auf den Sieger wetten? Aber wehe, ihr nehmt Einfluß auf den Ausgang. Das müßt ihr mir versprechen.«
»Abgemacht!«
»Dann nichts wie los!«
»Urlaub!« rief ein kleiner Engel, und schon stoben sie wie ein Schwarm Vögel geradewegs durch die Decke auf und hoch in den bewölkten Himmel über Paris.
Kapitel 19
F ranz von Angoulême und sein Schwager, der Herzog von Alençon, inspizierten auf zwei flott ausschreitenden Zeltern den Stand der Bauarbeiten auf dem Turnierplatz.
»Der Himmel will mir gar nicht gefallen«, sagte d'Alençon und blickte zu den dicken grauen Wolken über dem Parc des Tournelles hinauf.
»Der Kopfputz der Damen wird schon keinen Tropfen abbekommen«, sagte Franz mit einer umfassenden Handbewegung. »Da drüben, über die Tribünen, ziehen wir ein Zeltdach mit einer ausgefallenen Bemalung.« Trotz der Kälte wimmelten Tischler auf den Tribünen, und man hörte Gehämmer und Gesäge. »Dort kommen die Schranken hin, wenn sie fertig sind. Die Engländer haben ihre Zelte dort…«
»Ist das nicht ein ungünstiger Platz?«
»Einen besseren wüßten die doch gar nicht zu würdigen«, sagte Herzog Franz und tat das Problem mit einer abfälligen Bewegung der behandschuhten Hand ab.
»Der Duc de Suffoke soll ein Barbar sein. Vollkommen ungebildet. Gleichwohl betraut ihn sein König mit den heikelsten Staatsangelegenheiten.«
»Ich habe mich erkundigt. Seine Tricks – falls er sich tatsächlich darauf versteht – sind die des verschlagenen Erzbischofs Wolsey. Ich habe vor, ihn beim Turnier durch und durch zu blamieren.« Franz klang locker und selbstbewußt.
»Das dürfte schwerfallen. Habt Ihr den Mann schon gesehen? Er ist zusammen mit Mylord Dorset, dem anderen englischen Kämpen, eingetroffen. Der Duc de Suffoke ist ein wahrer Bulle. Was ihm an Hirn fehlt, macht er durch Muskelkraft wett. Die anderen englischen Ritter kaufen französische Pferde, doch er verschifft seine eigenen. Er scheut weder Kosten noch Mühe, wenn es gilt, die Blüte der französischen Ritterschaft zu schlagen.« Sie waren am Ende des Turnierplatzes angelangt und betrachteten das grüne Gras, das schon bald nur noch aufgewühlter Morast, vermischt mit Blut, sein würde.
»Ich glaube nicht, daß es so leicht sein wird, wie er sich einbildet«, sagte Franz mit listigem Blick. »Ich habe einen Plan. Im Geiste der Ritterlichkeit und Freundschaft zwischen unseren Nationen habe ich beide, ihn und Dorset, gebeten, als meine aides-de-camp die Schirmherrschaft über das Turnier zu übernehmen.«
»Aha«, sagte d'Alençon, »das bedeutet, falls Ihr nicht antreten könnt…«
»Müssen sie gegen alle antreten, selbst gegen die Herausforderer der Franzosen aus den eigenen Reihen.«
»Und sollten die Engländer zu gut abschneiden, was sie natürlich nicht tun, dann…«
»Dann ziehe ich mich zurück und lasse die Engländer die Engländer schlagen.«
D'Alençon antwortete mit einem anerkennenden Lachen. Dann wurde seine Miene wieder ernst, denn ihm war etwas anderes eingefallen. »Was meint
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