Die Suche nach dem Regenbogen
Ihr«, sagte er, »ist etwas dran an dem Gerücht über die wahren Absichten des englischen Kämpen, das bei Hofe die Runde macht?«
»Ihr meint, daß der englische König ihn ausgesandt hat, um dem Thron von Frankreich einen Erben zu zeugen? Auch darin werden wir ihn besiegen. Meine Frau und Eure Frau lassen sie keine Minute aus den Augen. Sie wird niemals allein sein, vor allem nicht mit ihm. Habt Ihr je gehört, daß sich meine Mutter in einer Frauensache überlisten ließe?« Franz lachte. Doch dabei erschien vor seinem inneren Auge das Bild dieses schlanken rothaarigen Mädchens mit den leuchtenden Augen. Viel zu gut als Ehefrau für einen alten Mann, dachte er. Unwillkürlich flammte Begehren in ihm auf, Begehren nach einer unerreichbaren Frau. Hatte sich der alte Ludwig XII. seine häßliche, mißgestaltete Gemahlin, eine Königstochter, nicht auch zugunsten der kürzlich verstorbenen Erbin der Bretagne vom Hals geschafft? Das ließ sich alles regeln, wenn er erst König war. Er würde diese Frau besitzen. Jetzt. Später. Er wollte es, er, Franz von Angoulême, der Erbe aus dem Hause Valois.
»Was ist, wenn es regnet?« fragte d'Alençon und blickte sich auf dem Turnierplatz um.
»Dann habe ich einige Lustbarkeiten für drinnen geplant«, sagte Franz mit ausdrucksloser Stimme. Irgendwie wußte d'Alençon, daß damit nicht nur Schmausen und Tanzen gemeint waren.
Kalter Nebel waberte vom Meer durch die engen Straßen von Calais, dem englischen Stützpunkt auf dem Kontinent. Es war früh am Morgen, doch die Sonne ließ sich hinter dem Grau nicht blicken. Schwere Pferde, ein jedes von Stallknechten ohne Sattel geritten, zogen hintereinander wie sagenhafte Ungeheuer durch den Dunst. Da jedes Tier ein Vermögen kostete, waren sie von bewaffneten Soldaten umringt, und Futter, Zaumzeug und Rüstung, Hufschmiede, Ausbilder und Pfleger folgten in einem Troß von schweren Wagen. Die Pferde des Herzogs, die besten, die England zu bieten hatte, wurden zu dem großen Turnier in Paris geschafft.
Im Wirtshaus ›Zum Schiff‹ stand ein Junge mit einem Bündel in der Hand auf der Schwelle. »Na, mach schon, sonst mußt du noch laufen, um sie einzuholen.« Der Mann, der sich auf eine Krücke stützte, mußte selbst bei diesen wenigen Worten schon husten. Er war durch Krankheit abgemagert, und um seine Augen schimmerte es noch immer grünlichschwarz von dem Schlag ins Gesicht, der ihm das Nasenbein gebrochen hatte.
»Master Ashford, solch eine Chance bekommt man nur einmal im Leben. Wie soll ich Euch dafür danken?«
»Lerne dein Gewerbe, mein Junge, und lerne fleißig. Was für ein Glück für dich, daß ich Master Warren kenne und daß der einen Jungen braucht. Deine Erfahrung ist ihm etwas wert, denn nicht jeder hat eine rasche Auffassungsgabe in der Kunst des Pferdekurierens.«
»Aber… aber ich sollte Euch nicht allein lassen. Wie kann ich das, wo Ihr noch nicht gesund seid?«
»Geh jetzt, und blicke nicht zurück. Ich schulde dir etwas, nicht du mir.« Der erste der zugedeckten Wagen rumpelte an ihnen vorbei, und der Junge erkannte den Postillion auf dem Deichselpferd, der ihm zuwinkte und auf den hinteren Teil des Wagens deutete.
»Lebt wohl, und vielen Dank noch.« Der Junge lief los und schwang sich hinten auf den Wagen, und von innen zogen Hände ihn hinein. Seit man sie aus den treibenden Trümmern der ›Lubeck‹ gezogen hatte, war zwischen den beiden eine seltsame Beziehung entstanden. Und Tom hatte ausgeharrt, wo ein leichtfertigeres Gemüt vor der schlimmen Krankheit und dem Delirium Reißaus genommen hätte, denn Ashford war dem eisigen Wasser zu lange ausgesetzt gewesen. Er hat sich diese Chance verdient, dachte Ashford, und er hat Glück gehabt. Dann humpelte er ins Haus, setzte sich an den Kamin, starrte düster ins Feuer und verweigerte das Frühstück trotz der verlockenden Dinge, die ihm die Frau des Wirtshausbesitzers anbot.
»Der Junge wird Euch fehlen, was?« sagte sie und wischte sich die Hände an der Schürze ab. »Mir auch.«
»Ihr seid eine Frau.«
»Natürlich bin ich das. Was wohl sonst?«
»Vielleicht könnt Ihr mir dann die Frauen erklären. Ihr kennt Euch aus, nicht wahr?«
»Ich denke schon«, sagte sie zustimmend und räumte die benutzten Krüge und Holzbretter vom Tisch. Sie trug sie in die Küche, und Ashford starrte wieder finster ins Feuer.
Als sie zurückkam, um den Tisch abzuwischen, sagte er: »Dann erklärt mir, was Ihr in bezug auf Frauen hiervon haltet: Ein Mann
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