Die Suche nach dem Regenbogen
gegangen, um dort für Eure Genesung zu beten.«
»Sie lügen«, flüsterte Belphagor. »Sie hat ungeduldig mit dem Fuß geklopft und sich nach Tanz und Musik gesehnt. Wißt Ihr noch, wie gelangweilt sie beim letztenmal getan hat, als Ihr ihr ein Kleinod aus den Kronjuwelen geschenkt habt? Der Kuß damals war kaum ein Küßchen. Sie hat nur Augen für Turnierkämpen. Ihr müßt Euch jung geben, sonst nimmt sie sich einen Liebhaber.«
Der König zuckte zusammen. »Niemals!« sagte er.
»Was war das, Euer Majestät?« fragte Duprat, doch die Ärzte hinter ihm begannen, in Latein etwas über dementia zu murmeln. Das letzte Anzeichen.
»Duprat, ich wünsche ein großes Fest zu feiern, ich will mich bei den Bürgern von Paris bedanken. Und danach…«
»Euer Majestät! Eure Gesundheit!« sagte der Arzt.
»Unfug. Wer kann meine Gesundheit besser beurteilen als ich? Ich will Kurzweil. Ich bin noch jung. Ein, zwei Tage Bettruhe, mehr brauche ich nicht. Schickt nach der Königin.«
»Laßt sie auf keinen Fall mitbekommen, wie schwach Ihr seid«, flüsterte Belphagor. »Man will versuchen, Euch den Thron zu stehlen. Festmähler, Gesellschaften, Tanz. Lebt wie ein König! Verwirrt Eure Feinde! Bezaubert die Königin aufs neue!«
»Warum leben, wenn ich nicht wie ein König leben kann?« sagte Ludwig XII. »Ich will Festmähler, Gesellschaften, Tanz! Und im Frühling gehe ich nach Blois und jage wieder. Ich bin ein neuer Mensch!«
Belphagor, jetzt feiner als Dunst, entschwand durch die kleinen, runden Fensterscheiben, die bereift waren und freute sich an dem Schaden, den er angerichtet hatte. Der Plan für die Regentschaft war ins Werk gesetzt.
Ursprünglich hatte Belphagor gleich zu dem Haus auf die Ile de la Cité flitzen wollen, das Crouch für ihn gemietet hatte, doch ihm boten sich so wunderbare Gelegenheiten, daß er der Versuchung nicht widerstehen konnte. Zunächst schickte er ein Pferd, das durchgegangen war, in eine Gruppe eingemummter Kinder, die auf der Straße Ball spielten, dann blendete er einen ältlichen Kaufmann mit dem Widerschein einer vergoldeten Heiligenstatue, die in einer Nische stand, damit er den Taschendieb nicht bemerkte, der ihn mit einem einzigen Schnitt des scharfen Messers um sein Geld erleichterte. Danach ließ er eine alte Frau mit einem Korb sauberer Wasche stolpern und schwebte wie eine Wolke von Bosheit in eine Bäckerei, wo er dafür sorgte, daß der Brotteig nicht aufging. Mittlerweile hatte er ganz vergessen, daß er ja nach Haus wollte, doch die Glocken eines Kirchturms gemahnten ihn an die Uhrzeit, und er sauste heim, wo sein neuer Diener, ein vielversprechender Student der Theologie von der Sorbonne, auf ihn wartete. Was für eine verlockende kleine Seele, ganz frisch und unverbraucht, voll frommen Strebens – da konnte er einfach nicht widerstehen. Langsam, langsam, du mußt langsam vorgehen, redete er sich immer wieder gut zu, und so hatte er den ausgehungerten Burschen erst einmal zum Essen eingeladen. Dann hatte er ihm Arbeit angeboten – nur ein paar harmlose Aufgaben. Vorlesen, Botengänge. Die Dankbarkeit in den eingesunkenen, hungrigen Augen hatte Belphagor gefallen. Wenn ich mir den richtig erziehe, hatte er gedacht, dann kann ich mir diesen Crouch vom Hals schaffen. Ich weiß jetzt Bescheid, wie man sich als Herr von Stand benimmt.
An der Tür warteten seine Unterteufel auf ihn, sie hatten Menschengestalt angenommen und waren in die hübsche maurische Tracht gekleidet, die er ihnen gekauft hatte. Das alte Haus roch heimelig und vertraut nach Schwefel. Es wirkt recht elegant mit den beiden Unterteufeln an der Tür, dachte Belphagor. Eigentlich sollte ich mir von jetzt an immer ein Stadthaus halten.
»Ist Crouch schon zurück?« redete er den ersten Mauren in Dämonensprache an, und das Geschöpf antwortete mit dem Gequietsche und Gegrummele, das bei ihm als Sprache galt: »Nein, der verbringt den ganzen Nachmittag in den öffentlichen Bädern, läßt sich von weiblichen Menschenwesen streicheln und ißt Fleischküchlein.«
»So ein Taugenichts. Ist Nicholas schon da?«
»Der wartet seit einer halben Stunde in Eurem Studierzimmer, Lord Belphagor. Er ißt auch Fleischküchlein.«
»Haben sie schon angesetzt?«
»Nein, er ist magerer denn je. Menschliche Wesen sind so lächerlich; wie sie sich auch immer abmühen, sie behalten stets die Form, in der sie angelegt sind.«
Doch Belphagor in seinem schweren, pelzgefütterten Brokatgewand im französischen Stil, im
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