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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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denn wir brauchten Geld. Trotz all der neuen Aufträge war niemand auf die Idee gekommen, mir einen Vorschuß zu geben, und selbst wenn ein Werk fertig war, konnte ich nicht damit rechnen, daß Geld hereinkam, weil Damen in der Regel am schlechtesten bezahlen. Ohne die Herzogin Marguerite säße ich ganz schön auf dem trockenen, dachte ich. Dann fielen mir meine Experimente ein, die Tinte von dem alten, aber erlesenen Pergament zu entfernen, und ich beschloß, Leuten, die keinen Vorschuß zahlten, ihre Engelbilder künftig auf gebrauchtem Papier mit einer besonders dicken Grundierung zu liefern, damit die Schrift nicht durchschimmerte. Porträts erfordern sauberes, unbenutztes Pergament, doch bei den Engelbildern konnte ich die Stellen, die durchschienen, mit üppigen Drapierungen oder dunklen Linien übermalen, und wer nicht anständig zahlte, verdiente auch nichts Besseres. Gleichwohl war ich in Bedrängnis. Ich hatte von Herzogin Marguerite vor ihrer Abfahrt ein wenig Geld erwartet, doch konnte ich mit ihr für die nächsten Monate kaum rechnen, da die Festsaison vorbei war und sie wie so viele andere große Familien die Stadt mit ihrer Mutter verlassen hatte, denn in Paris war nichts mehr los.
    Als man mich zu Herzogin Claude führte, saß sie zusammen mit der Königin und mehreren Damen, englischen und auch französischen, und Mistress Anne spielte einige neue Musikstücke auf dem Psalterium, das sie vor sich aufgebaut hatte. Herzogin Claude und die Königin stickten an einem gräßlichen großen Chorrock, und die Königin wirkte äußerst gereizt. Von diesem Chorrock hatte ich schon gehört, er war für den Papst bestimmt, und die alte Königin Anne hatte diese Erde zu ihrem höchsten Bedauern verlassen müssen, bevor er fertiggestellt war. Und so mußte er unbedingt von königlichen Händen vollendet werden, was bedeutete, daß Königin Marie, wie sie jetzt genannt wurde, unentwegt sticken mußte, und dabei verabscheute sie Sticken. Und von Claude, die ihr half, hielt sie auch nicht viel, so zusammengestaucht und schieläugig, wie sie war, und klug war sie auch nicht gerade. Aber Claude sagte, sie dürfe auch daran sticken, weil sie Königin Annes Tochter war, und Königin Marie war froh, daß es noch mehr Hände gab, die heilig genug waren, ihn anzufassen, denn sie wollte ihn fertigstellen und Schluß damit. Wer die Engelmalerei betreibt, bekommt viel zu hören.
    Königin Marie war also heilfroh, als sie den Chorrock beiseite legen und sich Madame Claudes Engel ansehen konnte, und Madame Claude weinte und sagte, ach, wie ähnlich es doch ihrer lieben seligen Mutter geworden wäre, und sieht der König nicht aus, wie er leibt und lebt, liebe Stiefmutter? Königin Marie zog einen nicht zu übersehenden Flunsch, pflichtete ihr jedoch bei, ja, die Ähnlichkeit grenze ans Wunderbare, dann wechselte sie das Thema und fragte, ob ich Engländerin sei. Ich erklärte ihr, ich sei mit ihr gereist, aber sie sei wahrscheinlich zu beschäftigt gewesen, um mich zu bemerken, und sie sagte: »Oh, ja, das stimmt, Erzbischof Wolsey hat so etwas angedeutet.« Und ich erklärte, ich solle Gedenkbilder von ihr und dem König anfertigen, die Wolsey in Gold und Juwelen rahmen lassen und König Heinrich, ihrem Bruder, schenken wolle, und das heiterte sie beträchtlich auf.
    »Oh, dann seid Ihr diejenige, die so niedliche kleine Porträts malt. Seid Ihr das, die – ich habe gehört, daß Ihr auch den Herzog von Suffolk gemalt habt.« Da wußte ich, daß er das Porträt als Geschenk für sie hatte malen lassen, was mir ganz schön verdächtig vorkam. Und wie ihr Gesicht strahlte, wenn sie seinen Namen nannte.
    »Ja, Euer Majestät, ich habe ihn gemalt, als er gerade vom Turnierplatz gekommen war. Er hat gesagt, ich solle seinen Blick feurig malen.«
    »Das hört sich ganz nach ihm an. Aber… habe ich nicht schon zuvor von Euch gehört? Ich habe gehört… wie war das noch… De Longueville hat eine Geschichte erzählt… von einem Geist und einem Gemälde. Erinnert Ihr Euch daran?«
    Ich spürte, wie mein Gesicht ganz heiß wurde, doch glücklicherweise unterbrach uns Madame Claude und sagte: »O ja, die Geschichte habe ich auch gehört. Wie überaus rührend. Ergebenheit bis über das Grab hinaus. Glaubt Ihr auch daran, daß die Geister der Seligen zurückkehren? Ich glaube, daß meine Mutter noch immer in ihr Schlafgemach kommt. Ich spüre ihre Anwesenheit wie einen kalten Wind.«
    Königin Marie blickte verärgert – wie konnte

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