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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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danach hatte es sie gewiß schon lange brennend gelüstet. »Grundgütiger«, sagte sie, »ist Euer Federbett aber dünn – oh, was haben wir denn da im Geschirrschrank, nur hölzerne Schüsseln, kein Zinn?« Sie zog die lange Schnüffelnase aus dem Schrank und wandte sich dem Kamin zu, wo sie den Deckel unseres Kochtopfs hochhob und die Suppe begutachtete. Alten Frauen entgeht so leicht nichts. »Der Kochtopf sieht mir aber alt aus –«
    »Den habe ich von meiner Mutter geerbt.«
    »Er hätte Euch getrost einen besseren kaufen können.« Dann sah ich ihren mageren alten Körper praktisch in dem großen, altmodischen Kleiderschrank meiner Eltern verschwinden. Zwischen Master Dallets besten Anzügen klang ihre Stimme ganz gedämpft. »Und diese Kleidung – gehört das alles ihm? Hat er Euch nicht einmal ein, zwei Bänder gekauft? Und dabei habe ich ihn immer für einen wohlhabenden Mann gehalten, der nur darauf wartete, daß er mir meine armseligen Zimmer wegnehmen konnte…« Ich zog mir das Federbett über die Ohren, denn es war wirklich eine Prüfung, dieser Neugier ausgesetzt zu sein und mitzuerleben, wie sie raschel, raschel in meinen Sachen herumschnüffelte. Ich konnte Nan hören, die ihr patzige Antworten gab, alte Frau gegen alte Frau.
    »Es gibt auf der ganzen Welt keinen Mann, der knickeriger ist als Master Dallet. Jeder Penny ging für Putz drauf und nichts für meine Herrin, um die ich mich gekümmert habe, seit sie ein Dreikäsehoch war. Ihr habt ja keine Vorstellung von der Schlechtigkeit dieses Mannes!« Ihre Stimme wurde leiser. »Betet für mich, Mistress Hull. Ich – ich habe etwas Furchtbares getan. Und nun habe ich dieses ganze Unheil über uns gebracht und wage es nicht, ihr das zu erzählen.« Ich bekam ihr Geflüster kaum noch mit. »Er hat sie fast wahnsinnig gemacht, dieser Schürzenjäger, und da mein Unschuldslämmchen noch nicht einmal begriffen hat, was da gespielt wurde, habe ich gebetet, der Teufel möge ihn holen. Und jetzt ist es passiert, und er fährt ohne Absolution in die Grube, und ich bin an allem schuld…«
    Ach, dann hatte ihn sogar Nan zur Hölle gewünscht? Und ausgerechnet Nan, die so fromm ist und den Namen des Teufels nie im Munde führt, ohne auszuspucken, und auch das nur ganz selten? Allmählich ging es mir wieder besser. Möglicherweise war doch nicht alles meine Schuld. Das heißt, warum sollte ich bestraft werden, weil ich den Namen des Teufels im Munde geführt und betrogen hatte und undankbar gewesen war, wenn Master Dallet weitaus mehr bestraft wurde? Das heißt, wenn man alles gegeneinander aufrechnete, so war ich vielleicht eine schlechte Ehefrau, doch wenn es stimmte, was Nan da flüsterte, dann war er ein noch schlechterer Ehemann gewesen, und es ging zu gleichen Teilen. Die Strafe, meine ich. Und außerdem konnten sich doch im selben Augenblick Leute in der ganzen Stadt das gleiche gewünscht haben, und der Teufel hatte allen den Wunsch zur gleichen Zeit erfüllt, daher verteilte sich der Fluch auf alle und zählte nicht länger. Und ohnedies war es in Wirklichkeit Captain Pickerings Schuld, warum sollte der Fluch da nicht über ihn kommen? Bei dem Gedanken, daß Wünsche vielleicht doch nicht in Erfüllung gingen, fielen mir Steine vom Herzen. Es ist nämlich eine schreckliche Verantwortung, wenn einem Wünsche erfüllt werden, und ich für meinen Teil lege keinen Wert darauf, was auch immer man in Märchen darüber zu lesen bekommt. Ich lugte über mein Federbett. Die Wehen schienen aufgehört zu haben.
    »Gott möge mir meinen bösen Wunsch vergeben, denn jetzt sind wir in Not und haben Schulden.« Nans Stimme klang bekümmert, als sie der Witwe ins Atelier folgte. »Not? Damit kenne ich mich aus«, antwortete die Witwe Hull und steckte die Nase in ein Päckchen zerstoßenen Serpentin. »Ui je, diese Maler! Nichts zu holen. Ihr werdet Euch einen anderen Maler suchen müssen, der Euch das da abkauft, und die Hälfte ist ohnedies Plunder. Vielleicht kommt Euch die Zunft zu Hilfe – hat er nichts hinterlassen, was man verkaufen könnte? Religiöse Gemälde? Mein Mann hat mir zwölf Christus-Bilder hinterlassen, aber bislang habe ich noch keins verkaufen können. In diesen bösen Zeitläuften denkt keiner mehr an Gott. Was ich verkaufe, sind Master Hulls Gemälde von Adam und Eva. Und wißt Ihr auch, warum? Weil sie unbekleidet sind! Eva im Garten Eden, Eva, wie sie von der Schlange in Versuchung geführt wird. Eva, wie sie sich das Haar flicht, nebst

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