Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
unten, aus der Küche der Witwe, drang Geklapper und Lärm. Das muß ja eine sehr vergnügliche Gesellschaft sein, dachte ich, so wie sie es treibt, sie kichert und kreischt ja wie ein junges Mädchen, wo bleibt denn da die ehrbare alte Witwe mit ihrer Vorliebe für Katastrophen?
    Ich wollte das Geld gerade zählen, als ich hörte, wie Nan ihnen am Fuß der Treppe Schweigen gebot. »Es geht ihr sehr, sehr schlecht. Sie ist ganz gebrochen vor Gram. Das arme Lämmchen ist so unschuldig und muß so Gräßliches erleben. Ei, der Anblick hat sie fast umgebracht.« Nan redete sehr laut, selbst für ihre Verhältnisse, und ich faßte es als Warnung auf, daß jemand heraufkam und mich dabei erwischte, wie ich mich diebisch über das Geld freute, statt wie eine Märtyrerin im Bett zu liegen. Also versteckte ich das Geld, legte mich ins Bett und zog mir die Decke bis zum Kinn, damit niemand sah, daß ich voll bekleidet war. So etwas nennt man die Verschwörung der Frauen, und die gehört im Rathgeber für das treffliche Eheweib zu den schändlichsten Missetaten überhaupt, denn auf Frauen, die sich verschwören, ist kein Verlaß. Und ich hatte wegen der Verschwörung ein noch schlechteres Gewissen, als Nan einen Geistlichen hereinführte, der meine ganze Schlechtigkeit sehr wohl zu durchschauen vermochte, einen Bettelmönch, doch der war so fett und kurzatmig, daß er vielleicht doch nichts durchschaute.
    Es war ohnedies ein Wunder, daß er überhaupt die Wendeltreppe hochgekommen war, denn die ist sehr eng und steil, so daß sie auch mir in meinem gesegneten Zustand tüchtig zu schaffen macht. Sein Gesicht war sehr rot, und er schnaufte und japste, als wollte er auf der Stelle tot umfallen, und dabei war er nur ein einziges Stockwerk hinaufgestiegen. Wahrscheinlich hatte ihm die Witwe Wein angeboten, und er versuchte darüber hinwegzutäuschen, damit er um so frommer wirken und mir ehrfürchtige Scheu einflößen konnte. Wie auch immer, ich verspürte ehrfürchtige Scheu, weil er nicht auf der Wendeltreppe steckengeblieben war, doch das war nicht die Art ehrfürchtige Scheu, auf die er aus war. Bei meinem Anblick schien er zu erschrecken. Was hatte er erwartet?
    »Master Pickerings Beichtvater, Mistress Dallet«, sagte Nan hastig, damit ich ja keinen Fehler machte. »Bruder Thomas kommt im Auftrag des Kapitäns.« Ich merkte, wie er sich in unseren kleinen Zimmern umsah, die ohne Kerzen ziemlich düster und erbärmlich sind, denn Binsenlichter wirken immer so billig.
    »Ach, Bruder Thomas«, sagte ich matt, »bitte, verzeiht mir, wenn ich nicht aufstehe. Ich bin krank und habe Angst, daß ich das Kind verliere.« Ich war wirklich erschöpft, und mein Bauch kam mir ganz verknäult vor, was durchaus Wehen sein konnten, doch ganz sicher war ich mir da nicht. Und außerdem war es ein Tag gewesen, wie ich keinen mehr erleben möchte, der hier reicht fürs ganze Leben.
    »Bitte nicht, nicht«, sagte er und sah mich bänglich an, »nur nicht das Kind gefährden. Bleibt, wo Ihr seid.«
    »Ihr seid so verständnisvoll. Der Himmel möge es Euch vergelten, Bruder«, antwortete ich sehr leise und schwach, damit er auch ja merkte, daß ich krank vor Gram und Sorge war. Bruder Thomas wirkte unschlüssig. Die einzige Bank stand am Feuer. Also setzte er sich auf die Bettkante und blickte mich noch immer so bänglich an, als könnte ich ihn zur Sünde verleiten, doch ehrlich, nichts lag mir ferner.
    »Captain Pickering war ganz außer sich vor Besorgnis, als er von Eurer bedrängten Lage hörte. Schließlich war er als erster am Unfallort und sah, was Eurem sehr geschätzten Mann zugestoßen war. Daher hat ihn Euer Verlust fast so betroffen, als wäre es sein eigener –« Aha, dachte ich, Ihr habt die hochstehenden Herren aufbrechen sehen, und jetzt vergeht Ihr vor Neugier, wer das war, denn es könnten ja gute Freunde gewesen sein, die auf Rache sinnen. Ja, bangt getrost weiter, schließlich hat Captain Pickering keinen Niemand ermordet. Und außerdem hat er sich zuviel herausgenommen, als er die Leiche, hochfahrend wie ein Edelmann, bei mir abladen ließ, und das nennt man, soviel ich weiß, die Sünde der Hybris, denn eins ist sicher, ich bin keineswegs unwissend und ungebildet. Es handelt sich um eine griechische Sünde, und kein Christenmensch sollte sich damit abgeben, weil das immer ein böses Ende nimmt. Vermutlich tat es ihm jetzt leid.
    »Wie edelmütig von ihm«, sagte ich und ließ meine Stimme unendlich schwach und matt

Weitere Kostenlose Bücher