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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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Nur ein Hauch von Massicot, dafür mehr Mennige im Inkarnat, dann die Züge als erstes mit Rot herausarbeiten, das Blau der Augen sehr hell, ein höchst eigentümlicher Gegensatz…
    »Poch, poch!« rief die Witwe Hull, statt an die offene Tür zu klopfen. »Herein«, rief ich vom Bett, wo Nan und ich den Inhalt der Börse zählten. Nan versteckte das Geld rasch unter dem Strohsack, als die Witwe mit ihrer Kerze ins Zimmer trat. »Ei, Ihr seht ja schrecklich aus«, sagte sie fröhlich und hielt ihr Licht hoch, damit sie mich besser mustern konnte. Hinter ihr stand ihre Tochter mit einer Suppenterrine, die sie auf unserem Tisch abstellte. »Ich habe mir gedacht, daß Ihr heute abend nicht zum Kochen kommt, und da habe ich Euch gebracht, was vom Abendessen übriggeblieben ist – das heißt, was ich vor diesem hungrigen Klosterbruder verstecken konnte.«
    »Ihr hört Euch aber munter an«, sagte Nan.
    »Warum auch nicht? Er hat mit Geld um sich geworfen wie ein Edelmann. Ein interessanter Mensch! Ei, der ist jeden Tag in St. Paul's, um das Neueste vom Tage aufzuschnappen. Was der alles zu erzählen weiß! Wie der große Wolsey Tag für Tag intrigiert, damit er Kardinal wird, und daß die Königin von Frankreich jetzt tot ist und keinen Sohn hinterlassen hat und daß ein gar prächtiges Unwetter – oh, und dann wird immer behauptet, daß Frauen Klatschbasen sind! Ihr hättet sein Gesicht sehen sollen, als ich ihm erzählt habe, daß sich hohe Herren nach Master Dallet erkundigt haben. Dann habe ich ihm gezeigt, wie hübsch ich Master Dallet in der Speisekammer aufgebahrt habe, mit zwei Kerzen, und zwar sehr teuren, möchte ich hinzufügen, alles, damit das üble Geheimnis seines Herrn gewahrt bleibt, und er hat geschworen, morgen kommt er aus dem Haus und wird bestattet, und ich habe gesagt, das ist auch gut so, denn trotz des kalten Wetters hält er sich nicht viel länger. O ja – ein Mann von Welt – aber was ist das? Ihr eßt ja gar nichts?« Ich hatte gerade die Schale Suppe abgelehnt, die Nan mir gebracht hatte.
    »Es geht mir nicht gut. Sagt, wie fühlen sich Wehen an?«
    »Das merkt man, wenn man sie hat. Das muß keine Frau erfragen. Du meine Güte, sehen Eure Augen geschwollen aus – und ich dachte, Ihr habt nur dem guten Klosterbruder zuliebe geweint. Laßt mich Eure Hand sehen. Auch geschwollen – seht nur, wie tief der Ring einschneidet! Sagt, habt Ihr öfter Kopfschmerzen?«
    »Immerfort, aber woher wißt Ihr das?«
    »Ach laßt, ich weiß, was ich weiß.« Nan sah besorgt aus. »Regt Euch nicht auf«, sagte die Witwe zu ihr. »Ich möchte nur, daß sie gut auf ihre begabten Händchen aufpaßt. Junge Frauen sollten sich nicht das Herz mit Sorgen beschweren, wenn sie schwanger sind. Aber jetzt versucht, einen Löffel voll zu essen. Die Terrine könnt Ihr mir später herunterbringen.« Doch ich konnte Nan und die Witwe an der Tür flüstern hören.
    »Es steht nicht gut um das Kind, oder?« sagte Nan.
    »Es wäre ein Glück, wenn sie es jetzt verliert. Ich kenne die Anzeichen. Das Kind vergiftet sie«, die Stimme der Witwe wurde noch leiser. »Auf diese Weise habe ich meine Älteste verloren. Frisch gefreit, rasch gereut. Wir haben sie in ihrem Brauthemd begraben.«
    »Sollte ich Goody Forster holen?«
    »Zu spät. Was immer die ausprobiert, es macht alles nur noch schlimmer.«
    »Kann man denn gar nichts tun?«
    »Betet, Mistress Littleton, betet, so gut Ihr könnt, daß die junge Frau es durchsteht, sonst landen wir alle in der Gosse.« Was für rasende Kopfschmerzen. Ein Fuß fühlte sich an, als wollte er aus eigenem Antrieb zittern und zucken. War das ein böses Vorzeichen? Wie schrecklich, wie ungerecht. Der Tod ist ein schamloser Betrüger und auch ohne die Sache mit dem Jüngsten Gericht schon gräßlich genug. Mutter hatte nur ein wenig Temperatur, dann bekam sie das Schweißfieber, und das entriß sie uns, und Vater folgte ihr nur eine Woche später. Niemand hatte etwas geahnt, denn zwei Wochen zuvor hatten beide noch gesund und munter ausgesehen. Ihr einziger Trost war der Gedanke, daß ich in guten Händen und mit Master Dallet verheiratet war, wie sie es abgesprochen hatten. Und ich hatte eingewilligt, um sie glücklich zu machen. Und dazu kamen noch die funkelnden dunklen Augen, wie ich schon sagte, und außerdem tat er mir leid, doch die Geschichte spare ich für später auf. Man sollte nie aus Mitleid heiraten, doch Master Dallet schien reich zu sein, und er versprach, für mich zu

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