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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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klingen.
    »Er hat sich mit mir des längeren beraten, was die biblischen Texte uns über die Unterstützung von Witwen –«
    »Wie ungemein fromm –«
    »– sagen und schickt diese Börse, die Euch und Eurem ungeborenen Kind in der Stunde der Not helfen soll.«
    »Wie wahrhaft mildtätig von ihm, soviel Interesse an unseligen Schicksalsopfern zu zeigen, daß er ihnen Beistand leistet.«
    »Er ist ein guter Christ, unerschütterlich in seiner Pflichterfüllung.«
    »Jedoch, heiliger Bruder Thomas«, murmelte ich, »eine Sache bereitet mir noch große Seelenqualen. Oh, lieber Gott, ist das schon wieder eine Wehe? Nur noch eins –«
    »Und das wäre, Mistress Dallet?«
    »Das Begräbnis. Ich bin zu schwach, um die Vorkehrungen zu treffen. Der Gedanke, ich könnte Master Dallet mit einem armseligen Begräbnis Schande machen, ist mir unerträglich. Er braucht Kerzen und einen Sarg –« Bruder Thomas blickte erschrocken. Hast du dir eingebildet, du kommst mir so leicht davon? Mir wirfst du nicht einfach eine Börse hin und machst dich aus dem Staub, du heuchlerischer Mittelsmann. »Ich möchte einen mit Blei beschlagenen haben – Schnitzwerk – geschmackvoll – kein billiges Material. Master Dallet war schließlich ein namhafter Hofmaler.«
    »Einen Sarg, nun ja, einen Sarg.«
    »Und schickt bitte Nachricht ins Zunfthaus der Maler-und-Färber-Zunft. Teilt den Zunftbrüdern mit, daß er das Bahrtuch braucht. Und einen Leichenzug – er benötigt mehr als nur die Zunftbrüder – ein Mann von seiner Stellung muß mindestens sechs gemietete Leichenbitter haben –«
    »Gewiß würden ein, zwei –«
    »Vier. Wie könnt Ihr nur zwei sagen? Zwei – wie schäbig – oh, welch ein Gram, und der Schmerz läßt auch nicht nach. Oh, dieser Schmerz – bei dem Gedanken an nur zwei Leichenbitter geht er mir durch und durch.«
    »Vier Leichenbitter«, sagte er seufzend.
    »Und ich brauche zwei Bahnen schwarze Wolle, jede zehn Yards lang, für Trauerkleidung.«
    »Trauerkleidung, ja, die ist gewiß vonnöten. Ist das alles?« Seine blaßblauen Augen, die tief in dem runden roten Gesicht eingebettet waren, musterten mich jetzt mit einem ganz anderen, sonderbar anerkennenden Blick.
    »Oh, oh, was ist das? Ja? Oh, ich bin ja so schwach. Ah, jetzt ist es mir wieder eingefallen. Eine Gedenktafel aus Messing – nicht zu groß, sie soll nicht vulgär wirken. Mein armer, lieber Mann. Wie gräßlich er ausgesehen hat! Er muß in St. Vedast eine gravierte Gedenktafel aus Messing bekommen.«
    »Abgemacht –« Als ich sein Gesicht sah, konnte ich nicht widerstehen.
    »Mit einem Gedicht. Die schönsten Messingplatten haben Gedichte. Vielleicht macht Ihr eins? Ein angemessenes Denkmal, seiner leidtragenden Frau zuliebe.«
    »Ein Gedicht scheint mir übertrieben. Das wird nach Buchstaben bezahlt –«
    »Dann ein Motto? Etwas, was zu ihm paßt.«
    »Warum nicht: Ars longa, vita brevis ?« sagte Bruder Thomas mit ausdruckslosem, gerötetem Gesicht, jedoch mit ironischem Unterton.
    »Und was bedeutet das, lieber Bruder Thomas? Ist das Latein? Und hinlänglich fromm? Oh, du liebe Zeit, hoffentlich setzen die Wehen nicht wieder ein.«
    »Gott bewahre. Es bedeutet, daß die Kunst länger währt als unser schwaches, sündiges Fleisch.« Und sehr viel länger, als du dir vorstellen kannst, dachte ich, denn ich mußte dabei an Master Dallets künftige, posthume Karriere im Geschäft mit religiösen Bildern denken.
    »Ausgezeichnet«, gab ich zurück. »Es würde Master Dallet freuen, wenn er davon wüßte.«
    »Gewiß doch«, pflichtete der Mönch mir bei und erhob sich vom Fußende des Bettes.
    »Ich danke Euch für Euren Besuch, Bruder Thomas«, sagte ich, so matt ich konnte.
    »Gottes Segen über Euch und Euer Haus, Mistress Dallet«, antwortete er und verzog sich rückwärts zur Tür, doch seine klugen Augen ließen nicht von meinem Gesicht ab. Auf einmal sagte er: »Er hat nie gewußt, was er an Euch hatte, nicht wahr? Eine ebenso entschlossene wie kluge Ehefrau, die noch dazu tugendhaft ist, sollte man besser zu würdigen wissen. Sorgt Euch nicht, Mistress Dallet, ich werde mich persönlich darum kümmern. Die Inschrift wird so elegant, daß sie Euch zur Ehre gereicht.«
    Wirklich gar kein so übler Mann, dachte ich, als ich ihn die Treppe hinunterschnaufen hörte. Ein Jammer, daß ich nicht aufstehen und zusehen kann, wie er sich durchquetscht, denn nach menschlichem Ermessen ist das unmöglich. Und was für eine interessante Gesichtsfarbe.

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