Die Suche nach dem Regenbogen
nicht anrechnen, daß sie so anzüglich sind – die Ärmste hat ein Recht darauf, ihre schmale Rente aufzubessern.«
Cat lachte hämisch. Die Witwe Hull betrachtete das Badebild noch einmal mit durchtriebenem Vogelblick, und ich packte die Skizzen weg, denn ich wollte Cats Miene beim Anblick von Evas Versuchung nicht sehen.
»Das macht das Bindemittel, das Ihr verwendet, nicht wahr?« stellte Mistress Hull fest. »Es läßt die Farben durchscheinen. Mein Mann hat mir einmal davon erzählt, als er betrunken war. Jeder Maler hat da sein Geheimnis. Mein Mann hatte immer Angst, jemand würde seine Lehrjungen bestechen und ihm seins rauben. Und dann hatten wir erst Browne und dann Hethe, und was tut er? Versucht, ihnen ihrs zu rauben. Eures ist besonders schön – Eure Farben leuchten wie die Buntglasfenster von St. Paul's. Ihr habt Glück. Wenn Ihr einmal in ganz arger Bedrängnis seid, könnt Ihr das Geheimnis verkaufen.«
»Wer sollte es mir abkaufen, wenn die Gemälde von Master Dallet sind?«
»Hmm. Da habt Ihr wiederum recht – was für ein Kuddelmuddel aber auch. Ein Jammer, daß Frauen nicht Meister werden dürfen.«
»Das würde ich ohnedies nicht schaffen«, sagte ich, denn mir war Adams Rumpf eingefallen, der noch immer einer Wurst ähnelte, wie viele Rippen ich ihm auch aufmalte.
Der Frühling kam mit Macht, mit blühenden Apfelbäumen, die vor dem grau bewölkten Himmel ganz licht und freundlich aussahen, und mit grünen Halmen, die zwischen den Steinen der Gartenmauern sprossen. Ich hatte mich wohl zu sehr mit dem Garten Eden beschäftigt, und das muß meine Sinne berauscht haben, denn ich konnte nur noch in Farben denken, als wäre ich betrunken. Zuweilen blieb ich einfach stehen und staunte, weil ich mir die Farbe der Wolken oder die Art, wie eine schlammige Pfütze schimmerte, genau ansehen mußte. Und die ganze Zeit über dachte ich daran, daß ich gute gebrannte Umbra brauchte, doch die ist sehr kostspielig, und wo sollte ich statt irgendeiner Nachahmung die echte Ware aus Italien herbekommen? Alle hielten mich für verrückt, sogar meine Hausgenossinnen, doch in Wahrheit dachte ich nach. Nan streute aus, das käme von dem furchtbaren Gram, und das wiederum machte mich in unserer Wohngegend zur tragischen Gestalt. Die Leute tippten sich an den Kopf und schnalzten, aber ich hatte kaum Zeit, den Eindruck, den ich machte, zu genießen, da ich unentwegt denken mußte. Zuweilen vergaß ich sogar, mich richtig anzukleiden, und einmal zog ich mir das Mieder verkehrt herum an, weil ich nicht richtig aufgepaßt hatte, und da dachten alle, nun wäre ich vollends irre geworden. Und die Hunde liefen mir nach, weil ich so zutraulich wirkte und scheinbar herumstreunte wie sie.
Eines Tages kam ich mit einem Korb Brot am Arm vom Bäcker zurück, und da sah ich die ganze Straße auf einmal so flach, als malte ich sie, sie hatte gar keine Tiefe mehr, und da es gerade geregnet hatte, wirkten die Glanzlichter auf dem Pflaster, über das die Menschen gingen, und auf dem Dreck in der Gosse wie gemalt. Die Geschäfte und Wohnhäuser aus Fachwerk lehnten sich über die Straße wie Frauen, die ein freundliches Schwätzchen halten, und die farbigen Schilder leuchteten wie Edelsteine. Menschen waren an der frischen Luft, und die Bürger und Zunftbrüder in ihren farbenprächtigen Gewändern, die sich einen Weg durch das alltägliche Schwarz und Rotbraun und Mausgrau des gemeinen Volkes bahnten, wirkten wie märchenhafte Seeungeheuer in einem Elritzenschwarm. Fensterläden waren aufgeklappt, Ladenbesitzer beugten sich über ihre Ladentische, und manche riefen ihre Waren aus, wenn jemand vorbeikam. Alles war ganz verzaubert, und nur ein Gemälde konnte dem gerecht werden, aber das wäre natürlich nicht zu verkaufen, weil alle bekleidet waren.
Unseligerweise war ich so ins Schauen vertieft, daß ich, ohne es zu merken, vor dem gräßlichen Brauhaus ›Zur Ziege und zum Krug‹ stehenblieb, und da blieben auch alle Hunde stehen und setzten sich rings um mich, wohl weil sie ein Stückchen Brot haben wollten oder es zumindest rochen. Und dann kam ein gräßlicher, behaarter Betrunkener in Zimmermannstracht aus dieser erbärmlichen Schenke, verneigte sich und sagte: »Madam Blaunase, darf ich Euch zu Eurem Schloß geleiten, damit Ihr die Kohle auf Eurem Gesieht erneuern könnt?« Ich rieb mir heftig das Gesicht, doch dieses eine Mal war es sauber, und all seine Freunde, die ihn angestiftet hatten, kamen nach draußen und
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