Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
Vom Netzwerk:
Frankreichs herzustellen. Doch angesichts der Gefahr, daß ihre Töchter, die Erbinnen der Bretagne, ins Ausland heirateten, hatten die Generalstände gebeten, daß man Claude mit ihrem Vetter François vermählte, dem männlichen Thronerben. Die alte Königin war wütend gewesen. Sie wußte, ihre zarte, mißgestaltete Tochter würde daran zugrunde gehen, wenn sie dieser brillanten, sorglosen und ehrgeizigen Familie in die Hände fiel. Die Königin verabscheute die hartnäckige, intrigierende Louise von Savoyen und konnte die Hochzeit verhindern, solange sie lebte. Doch jetzt, da sie im Grabe lag, war alles eingetreten, was sie befürchtet hatte: Ihr geliebtes Kind, verwachsen und sanftmütig, hatte sich bis über beide Ohren in einen Ehemann verliebt, der sie nur aus Vernunftgründen heiratete. Wieder einmal hatte Louise triumphiert. Ihr Sohn war jetzt Herzog der Bretagne. Unter vier Augen hatte Louise ihm klargemacht, daß er die halbe Bretagne an seinen Schwager verlieren würde, falls er der jüngeren Tochter Renée die Erlaubnis zur Heirat erteilte. Daher hatte François beschlossen, daß seine Schwägerin sich nie vermählen durfte, sollte er König werden.
    »Ich habe Euren Springer genommen, Monsieur«, verkündete Marguerite, die Augen noch immer auf das Schachbrett aus Ebenholz und Elfenbein gerichtet. Ihr kastanienbraunes Haar war fast gänzlich unter der spitzen Haube der verheirateten Frau und einer schwarzen Samtkapuze verborgen. Zwei ihrer weißen Schoßhündchen lagen zu ihren Füßen. François, ein schlanker Zwanzigjähriger, der sauber rasiert war, blickte auf. Ihre Gesichter ähnelten sich sehr: lange Nase, gescheite, intelligente Augen und eine Spur Humor um den beweglichen, schmalen Mund. Louise hatte sich die Erziehung der Geschwister etwas kosten lassen, und deren Bildung war seit Kinderzeiten beinahe legendär. Und da sich Marguerite fern dem Hof langweilte, stellte sie ein Buch mit unartigen, witzigen Erzählungen zusammen, während ihr Bruder Gedichte schrieb und in seinen Mußestunden Frauen nachstieg. Ihre Geschicke hatten sie verschiedene Wege geführt, doch sie verstanden sich durch und durch.
    »Ich räche mich mit meinem Turm«, antwortete François und machte seinen Zug. Er war in lavendelblauen Satin gekleidet und trug ein flaches, mit purpurrotem Samt verbrämtes Barett. Schon hatte die Abenddämmerung eingesetzt, und ein Diener entzündete die Kerzen in der langen Galerie. Die großen Gobelins kräuselten sich in einer verirrten sommerlichen Brise, die durch die geöffneten Fenster wehte, und die Kerzen flackerten und rauchten in den soeben aufgestellten Leuchtern. Am Ende der Galerie spielte eine von Claudes Hofdamen das Virginal, während eine andere sang. Claudes Nadel fuhr durch einen Stickreifen mit einem Altartuch. Eine sonderbare gesundheitliche Störung machte sie mit ihren sechzehn Jahren unförmig und fett und ihr Gesicht rund und aufgedunsen. Das prachtvolle hellblaue Satinkleid betonte noch, wie blaß und furchtbar reizlos sie war. Immer wieder hob sie den Blick vom Altartuch und warf dem unendlich gutaussehenden und verwegenen Mann, mit dem man sie verheiratet hatte, einen bewundernden Blick zu. Wie weit entfernt von ihr saß er doch, und wie war er in das Gespräch mit seiner hochgewachsenen eleganten Schwester vertieft. François spielte Schach, ein Spiel, das sie nie beherrschen würde. Wie klug er doch aussah, wie er da saß und sich mit Dingen beschäftigte, die sie nie verstehen würde. Ach, wenn er sich doch umdrehen und in ihre Richtung blicken würde.
    »Ich wußte, daß Ihr so ziehen würdet. Schach«, sagte Marguerite
    »Das ist ungerecht. Letztes Mal hast du gewonnen, dieses Mal bin ich an der Reihe. Schließlich bin ich der Dauphin.« François wich Marguerites Königin aus, doch er wußte, der Aufschub war nur vorübergehend.
    »Wenn ich Euch jedesmal gewinnen ließe, machte es keinen Spaß mehr«, antwortete Marguerite. »Schachmatt.«
    »Pah, heute abend langweilt mich Schach. Ruf deine Damen, sie sollen für mich tanzen, und wie Paris gebe ich dann der Schönsten einen Preis.«
    »Paris hat sich mit seinem Preis mehr Ärger eingehandelt, als er ahnen konnte. Und Ihr, Monsieur, müßt umsichtiger sein. Der König will Euch ersetzen.«
    »Daß ich nicht lache. Unmöglich. Dazu ist er viel zu alt.«
    »Und was ist, wenn die englische Prinzessin sein Blut in Wallung bringt?«
    »Sie müßte wahre Wunder vollbringen, wenn sie dieses Wrack zum Leben

Weitere Kostenlose Bücher