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Die Suche nach dem Regenbogen

Titel: Die Suche nach dem Regenbogen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Merkle-Riley
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wollüstig und jung. Und englisch. Und sie mußte in das Bett eines fremdländischen alten Mannes, für Geschmeide, für Kleider, für die Macht, nach der es ihren Bruder so gelüstete und aus der sie sich nichts machte. Niemand sonst im Raum wußte es, aber dieser Bulle, dieser Mann, der sich von jeder wohlhabenden Frau entflammen ließ, hatte ihr in den Monaten vor ihrer Verlobung einen Brief geschrieben, in dem er ihr in schrecklicher, kaum zu entziffernder Rechtschreibung von Liebe sprach. Und sie hatte ihm geantwortet. In aller Heimlichkeit hütete sie das prachtvolle kleine Porträt, das er ihr auch geschickt hatte und das ihn mit feurigem und kriegerischem Blick zeigte. Doch vor dem scharfen Auge des Königs hatte sich Suffolk zurückgezogen. Warum nur? dachte sie. Er war doch der engste Freund ihres Bruders. Was wußte ein vertrockneter alter Mann schon von Liebe? Ihre Augen blitzten kurz auf, und Suffolk wandte bemüht den Blick ab, machte ein erschrockenes Gesicht, so als verstünde er nicht. Wie konnte er es wagen, Unverständnis zu heucheln! Würde das immer so sein, wenn sie erst Königin von Frankreich war? Ihre Jugend und Schönheit vergeudet in einer leeren Zeremonie, und kein Mann, der ihr jemals wieder von Liebe zu reden wagte?
    Doch dann flatterten ihre Gedanken zu ihrem französischen Brautschmuck. Prachtvoller als Königin Katharinas würde er sein, hatte Wolsey geschworen. Und dazu Kleider und Bälle und Maskeraden. Das alles hatte sie sehr gern, tanzen, spielen und von der Gesellschaft bewundert werden. Gewiß würde ihr das die Last versüßen, die Braut eines alten Mannes zu sein. Und konnte eine Witwe nicht tun und lassen, was sie wollte, insbesondere wenn sie Königin war? Das hatte Wolsey gesagt, und der mußte es wissen. Königin. Das Wort hatte einen guten Klang. Königin von Frankreich.
    Das lateinische Gedröhne hatte aufgehört. Während die Menge wartete, berührte der französische Edelmann ihren Leib mit seinem Bein, Symbol einer fleischlichen Beziehung. Eine Welle von Beifall lief durch die Menge, Hälse reckten sich, und Suffolks Gesicht verschwand. Der Erzbischof erklärte die Ehe für vollzogen. Die Damen der Prinzessin kleideten sie wieder an, dieses Mal in ein kariertes Gewand aus purpurnem Satin und Goldbrokat, und die ganze Gesellschaft, Herzöge, Edelleute und Gesandte, zog zur Messe in die Palastkapelle. De Longueville schritt mit König Heinrich, dessen Satinkleider von Gold und aufgestickten Juwelen strotzten. Mary ging jetzt neben Königin Katharina, beide trugen die gleiche Haube aus Goldbrokat.
    Die hundert und mehr Gerichte des Hochzeitsmahls zogen in einer Art Nebel an Mary vorbei. Komplimente und Artigkeiten flogen hin und her, und ihr wurde schwindlig vor Genugtuung, dazu kam noch das Gefühl, von nun an würde ein jeder Tag so vergehen. Sie würde im Mittelpunkt stehen, sie, die Königin. Dann spielten Flöte und Harfe zum Tanz auf. Heinrich war ein hervorragender Tänzer, er legte die Schaube ab, und dann tanzten er und Buckingham in Wams und Kniehose so begeisternd, daß sie die ganze Gesellschaft mitrissen. Der Mittelpunkt, dachte Mary. Ich bin der Mittelpunkt. Er tanzt für mich. Der König feiert mich. Jeder Gedanke an Suffolk war verflogen. Ich werde Königin sein, dachte sie, und dann gehört alles mir. Ich werde für immer im Mittelpunkt stehen. Die Männer werden mich vergöttern. Die Frauen werden mich beneiden. Für immer. Der Gedanke blendete sie.

    »Los, Cavendish, ich will alles hören, was beim Empfang des Sieur de Marigny durchgesickert ist.« Wolsey war wieder einmal bettlägerig, seine alte Krankheit war erneut aufgetreten, ein blutiger Ausfluß aus den Eingeweiden. Bleich und kraftlos lag seine massige Gestalt in den Kissen seines Himmelbetts in Brideswell, und auf einem Bettisch, den er sich über den mächtigen Leib gestellt hatte, versah er Berichte mit Anmerkungen. Rings um ihn auf der Bettdecke häufte sich Korrespondenz aus ganz Europa.
    »Euer Gnaden, der Sieur de Marigny hat auf einem weißen Pferd zwei Truhen mit Silber, Siegeln, Gerätschaften und Geschmeide mitgebracht. Ein überaus salbungsvoller Mensch, der nach französischer Sitte Kratzfüße vor der Prinzessin machte und der Braut Artigkeiten sagte. Das Geschmeide war prachtvoll. Ich habe das Bestandsverzeichnis hier…« Cavendish reichte seinem Herrn ein Stück Papier, und der nickte.
    »Der Schätzwert, Cavendish. Wie seid Ihr auf den gekommen?«
    »Der König hatte

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