Die Suche nach dem Regenbogen
Art. So nördlich, so provinziell. Diese Geburt Christi , verblaßt die bereits? Ach, ja, man kann sehen, daß die Lasuren schlecht sind. Wer, sagt Ihr, hat das gemalt? Hethe? Er versteht nichts von Leinwandmalerei. Ein Jammer, daß Ihr Engländer keine wirklich große Kunststadt wie Tours habt. Die Italiener vollbringen dieser Tage wahre Wunder. Habt Ihr nichts von Leonardo?‹ Ich habe gedacht, der hört überhaupt nicht mehr auf.«
»Aha, Cavendish, ich merke, Ihr sinnt auf Rache.« Cavendish biß sich auf die Lippen und ließ den Kopf hängen. »Dann sollten wir diesem Porträtmaler unsere Privatsammlung vorführen. Sagt die Wahrheit, Cavendish, wer ist der unausstehlichste Mensch, den Ihr kennt?«
»Er, Euer Gnaden. Er macht mich wahnsinnig.«
»Doch vor ihm – ehrlich jetzt.« Cavendish schwieg. »Kommt, kommt. Würdet Ihr nicht ›Ashford‹ geantwortet haben, ehe dieser französische Kerl ihn aus dem Feld geschlagen hat?« Cavendish errötete. »Aha, ich sehe, ich habe recht«, stellte Wolsey fest.
»Er verfolgt mich, er denkt sich tausenderlei kleine Bosheiten aus, mit denen er mich hänselt, und er bildet sich ein, ich merke es nicht. Euer Gnaden, lieber würde ich Zeit in einem Faß voll Flöhe zubringen als in seiner Gesellschaft.«
Wolsey lachte stillvergnügt. Das tägliche Drama ihres Wettkampfs belustigte ihn stets von neuem; und es schmeichelte ihm wirklich, da es nur darum ging, wer sich als erster in seiner Gnade sonnen durfte. So blieben sie schön bei Fuß, und er ging sicher, daß einer ihm stets die Umtriebe des anderen hinterbrachte. Das gehörte zu den vielen kleinen Tricks der Mächtigen, die Wolsey während seines raschen Aufstiegs gelernt hatte. Männer, ach, wie leicht waren sie zu durchschauen. Nur Frauen, die verstand er nicht. Doch glücklicherweise hat Gott bestimmt, daß Frauen tun müssen, was man ihnen befiehlt, dachte Wolsey, als ihm dieses Problem durch den Kopf ging.
»Ich finde, der Franzose hätte ein Faß Flöhe verdient, und bei einem Franzosen kämen die Flöhe auf ihre Kosten.«
Cavendish warf dem Erzbischof einen raschen Blick zu, da er nicht wußte, wie er darauf reagieren sollte.
»Was meint Ihr, Cavendish, soll Ashford Perréal durch meine Sammlung führen?«
»Eine ausgezeichnete Idee, Euer Gnaden«, sagte Cavendish mit ausdruckslosem Lächeln. Wolsey sah seine Miene und lachte schallend.
»Ach, richtig. York House wird gerade renoviert. Seine Gnaden, der mächtige Bischof Wolsey, sollte als Oberaufseher einen Mann mit Geschmack einstellen. Italienischer Stil – das heißt der Stil, der heutzutage groß in Mode ist. Der ziemlich primitive Arazzo hier soll vermutlich ausgetauscht werden.«
»Die Wandbehänge in diesem Raum sind vollkommen neu«, sagte Ashford, und dabei mußte er den mächtigen Impuls unterdrücken, Maître Perréal durchzuschütteln, bis ihm die Zähne klapperten.
»Ach ja, der nördliche Stil. So steif, so überholt. Seht nur, die Gesimse dort, nirgendwo eine flüssige Linie. Der anmutige Charme des Italienischen hingegen – über dem Fenster dort würde sich ein Füllhorn gut ausnehmen. Oder vielleicht ein Cherub. Ah, das dürfte der strenge Geschmack des Kirchenmannes machen – gleichwohl, in Rom…«
»Das hier ist London, nicht Rom, und Rom ist nicht London«, knurrte Ashford. Er näselte mit normannischem Akzent. Perréal hörte höflich zu, doch jedesmal, wenn Ashford redete, gestattete er sich ein Zucken um die Nasenflügel, als röche es faulig im Zimmer.
»Ergreifend«, erwiderte Perréal. »Schlicht, aber ergreifend. Warum laßt Ihr das nicht über dem Türsturz dort einmeißeln?« Er deutete auf die Tür, der angeblich die Cherubim fehlten. Ashford hörte in dem Wort etwas durch. Es lag an Perréals »R«. Er witterte Rache.
»Master Perréal«, sagte er mit gespielter Bewunderung. »Ihr kennt Euch doch so gut in dem neuen Stil aus. Sagt, wann habt Ihr in Italien gelernt?«
»Italien? Ei, der italienische Stil ist doch überall bekannt…«
Ashford seufzte tief und mit geheucheltem Bedauern. »Außer bei uns, wir sind leider weit vom Schuß, ungemein weit. Habt Ihr ein Glück, daß Ihr in Tours lernen durftet. Ich könnte mir vorstellen, daß italienische Künstler die Reise nach dort weniger scheuen als hierher. Bedauerlicherweise fehlt uns ein solcher Mittelpunkt der Kultur…« Ashford sah, wie Perréals Miene zu Stein wurde. Es waren die »Rs«, die noch immer den Mann aus der Touraine verrieten. »Zur Sammlung
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