Die Suche nach dem Wind
zurzeit auf der Erde.«
Sie sah ihn erwartungsvoll an, und seine grauen Augen blitzten.
»Sehr gut! Ich schätze Boten, die sich für Geschichte und Politik interessieren.« Sein Blick wurde durchdringend. »Ich schätze auch die unbestreitbaren Verdienste der van Rhyns. Sie haben das Leben Rhanmarús geprägt wie kaum eine andere Familie. Voller Demut verneige ich mich vor ihren Verdiensten. Die Empfehlungen der Ehrwürdigen Mutter Oberin sind dem Obersten Rat quasi Gesetz und mir unendlich teuer. Sie ist eine bemerkenswert starke und intelligente Frau. Ihr Gatte hat uns gerade einen Kristall zukommen lassen, der es uns vielleicht ermöglicht, bisher noch fremde Planeten zu erkunden, da er bei Erhitzung so etwas wie Atmosphäre erzeugt. Das Experiment steckt in den Kinderschuhen, birgt jedoch ungemein Potential. Ausgerechnet der Enkel dieser Stützen Rhanmarús bereitet mir Sorgen, große Sorgen. Sind Sie ihm schon einmal begegnet?«
Die Botin sah die Bilder junger Rhan vor sich, die um die besten Plätze kämpften, um zumindest einen Blick auf den gutaussehenden und jüngsten Hochlord aller Zeiten werfen zu können. »Ich gehörte zum Sicherheitspersonal bei der letzten Ernennung der Hochlords. Dort habe ich ihn gesehen, er mich sicher nicht. Richtig begegnet sind wir uns daher nicht.«
Er schüttelte den Kopf und seufzte tief. »Früher war die Zeremonie der Ernennung eine Angelegenheit voller Ernst und Würde. Seit er zu den Hochlords gehört, ist sie ein Spektakel, bei dem ich im allgemeinen Gegröle mein eigenes Wort nicht mehr verstehe. Ich selbst habe ihn seinerzeit zu den Vergleichskämpfen der Ringlords berufen, um seine Großmutter zu ehren. Ich wollte mich mit dieser Geste vor ihr verneigen und war verblüfft, als sie heftig dagegen protestierte. Ich hätte auch hier ihrem Rat folgen sollen. Unbestreitbar gehört van Rhyn zu den begabtesten Hochlords, nur scheint mir sein Verantwortungsbewusstsein, das mit diesem Amt notwendigerweise einhergehen muss, nicht sehr ausgeprägt.«
Er schwieg, sah versonnen vor sich hin und spielte mit seinem Siegelring.
Seine Besucherin nahm nicht an, dass er irgendeine Äußerung von ihr erwartete, und schwieg ebenfalls.
Endlich seufzte der Rhanlord und setzte ein gequältes Lächeln auf.
»Zumindest hat meine Förderung noch keine schlimmen Folgen nach sich gezogen und kann rückgängig gemacht werden. Wie Sie sicher wissen, war die Erde bei den letzten Vergleichskämpfen der Jugend nicht vertreten. Eine offizielle Erklärung dafür wurde bisher nicht abgegeben. Ich denke, es ist an der Zeit zu überprüfen, ob es überhaupt sinnvoll ist, einen unserer wenigen Ringlords auf der Erde einzusetzen. Genauso, wie es sinnvoll sein dürfte, zu überprüfen, ob der selbst seinen Aufgaben angemessen nachkommt. Offiziell werden Sie als seine Assistentin auftreten. Das sollte Ihnen alle Türen öffnen.«
Erma Kossolowy nickte. »Wann soll ich reisen?«
Er rutschte im Stuhl nach vorn und sah sie durchdringend an. »Sobald der Rat der Untersuchung zugestimmt hat. Das ist allerdings lediglich Formsache, da die Ringlords mir unterstellt sind. Es gibt noch etwas, um das ich Sie bitten möchte. Der Oberste Bote Thadäus Marcks gilt als verschollen. Sein letzter Einsatzort war die Erde. Der Rat hat van Rhyn selbstverständlich geglaubt, dass er nichts vom Verbleib des Boten wisse, aber ich habe da meine Bedenken. Es wäre erfreulich, wenn Sie diesbezüglich diskrete Nachforschungen anstellen könnten ... sehr diskrete. Ihre Ergebnisse teilen Sie auch nur mir mit. Ich werde selbst entscheiden, ob und wie sie dem Rat zugänglich gemacht werden. Sie verstehen, was ich meine?«
Sie saß immer noch kerzengerade ganz vorn auf dem Stuhl und erwiderte mit nüchterner Stimme: »Selbstverständlich!«
Jetzt überzog ein Lächeln sein Gesicht. »Dann wünsche ich Ihnen gutes Gelingen. Ich werde in naher Zukunft den Posten des Obersten Boten, den Marcks innehatte, neu besetzen. Eine junge, engagierte und vor allem loyale Frau könnte ich mir gut in dieser Position vorstellen.«
Er nickte zum Zeichen dafür, dass sie verabschiedet war, und sie erhob sich sofort und verbeugte sich.
»Ich werde mein Bestes geben und hoffe, dass ich mich des Vertrauens, das Ihr mir entgegenbringt, als würdig erweise.«
Auf dem Weg zu ihrer Wohnung hätte sie am liebsten getanzt. Oberste Botin Kossolowy ... das klang nicht nur gut, das klang hervorragend. Sie sollte jetzt also den van Rhyn Erben zur Strecke
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