Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Suche nach dem Wind

Die Suche nach dem Wind

Titel: Die Suche nach dem Wind Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liane Sons
Vom Netzwerk:
Adrian breit grinsend.
    Erik ignorierte ihn völlig und sah seinen Gastgeber an. »Könnten Sie uns helfen, möglichst ungesehen in die Berge zu kommen?«
    »Das kann ich. Folgt mir!«
    Sie verließen den Raum und wanderten durch düstere Erdgänge. Erik fiel erst jetzt auf, dass hohle Baumwurzeln für die Belüftung sorgten. Sie kamen in ein größeres von mehreren Fackeln erhelltes Gewölbe und blieben abrupt stehen. Weit mehr als fünfzig Kinder aller Altersklassen spielten hier mit primitiven Puppen, Stöckchen oder Steinen. Wie auf ein geheimes Kommando hin verstummten alle und starrten die Neuankömmlinge an.
    Holly ergriff sofort Eriks Hand und hauchte fassungslos. »Oh, nein!«
    Anna schniefte und schlug die Hand vor den Mund.
    Die Kinder waren sämtlich in Lumpen gehüllt, bleich, dreckig und hohlwangig. Größere Kinder hielten Babys in den Armen und wiegten sie sanft.
    »Wir holen sie aus den Dörfern. Sie sollen ihre Seelen behalten«, erklärte Gilbur.
    Erik schluckte krampfhaft und hauchte: »Die kennen diesen schönen, alten Brauch nicht, Gerrit. Das ist jedenfalls nicht viel besser als lebendig gegraben.«
    Der nickte beklommen, sah in die schweigende Runde, nahm seinen Rucksack ab, begann, darin herumzuwühlen, und beförderte schließlich Schokolade und einige Tüten mit Keksen und Bonbons zutage. »Mögt ihr Süßes?«, fragte er mit kratziger Stimme und hielt seine Angebote vor sich.
    Die Kinder verharrten stumm.
    »Ist ja klar! Meine Mama hat mir auch beigebracht, nichts von Fremden anzunehmen. Aber ich bin ein netter Fremder und dazu in eurem Alter«, fuhr Gerrit unbeirrt fort und wandte sich einem kleinen Jungen zu, dessen speckige Hose aussah, als könnte sie selbst ohne ihren Träger stehen. »Ich glaube, du magst Himbeergeschmack.« Er nahm ein Bonbon, wickelte es aus, steckte es sich in Mund und lächelte. Dann hielt er dem Jungen ein Bonbon hin.
    Zögernd griff der zu, wickelte es umständlich aus, sah zwischendurch immer wieder stolz seine faszinierten Kameraden an, steckte es schließlich tapfer in den Mund und lutschte. Jetzt lächelte auch er.
    »Gut, nicht wahr?«, fragte Gerrit.
    Der Kleine nickte eifrig und schloss selig die Augen. Neben ihm wurde umgehend eine schwarze Mädchenhand ausgestreckt. Zunächst noch langsam und zögerlich, dann immer mutiger umringten die Kinder den großzügigen Spender.
    »Das ist gut, das ist sehr gut!« kam der erste Zuspruch aus der Menge.
    »Woher kommt ihr?« war die erste Frage.
    Eine Stunde später saßen die Rhan mit Babys auf dem Arm mitten zwischen ihren neuen Freunden und unterhielten sich mit ihnen. Ihre Rucksäcke beherbergten nur noch das Nötigste, dafür waren die fremden Kinder jetzt in Besitz einiger Taschenlampen, Ferngläser, Blöcke und Stifte, T-Shirts und diverser Süßigkeiten. Während einige Bilder mit den Taschenlampen an die Wände warfen, und fasziniert die Ferngläser untersuchten, konnten andere sich sofort für Annas Parfüm, Lippenstift, Nagellack und Puder begeistern. Die selbst saß bald in einem Pulk von Mädchen und Jungen und wies alle in den Gebrauch dieser lebenswichtigen Dinge ein. Holly unterstützte sie eifrig. Es sah aus, wie in einem Schönheitssalon. Haare wurden gekämmt, geflochten und gesteckt, Nasen gepudert und Finger mit feuchtem Nagellack trocken gewedelt. Helles Lachen ertönte, wenn die jungen Leute sich nach ihrer Verschönerung in Annas Spiegel beguckten, und voller Begeisterung betörten sich Jungen und Mädchen am Duft des Parfüms und des Deodorants. Ausgelassenes Treiben herrschte in der modrigen Erdhöhle, und fröhliches Gelächter erklang in den finsteren Ecken.
    Erik hielt einen Jungen auf dem Schoß, der noch in Ermangelung irgendwelcher Zähne hingebungsvoll an einem Keks lutschte, und konnte kaum die Tränen unterdrücken. Die Begeisterung der Kinder über das Knistern des Bonbonpapiers und über Schattenspiele an den Wänden raubte ihm fast den Atem. Er kam sich plötzlich unglaublich erbärmlich vor, weil er sich bis vor kurzem allein durch die Tatsache, kein Smartphone zu besitzen, schwer benachteiligt gefühlt hatte. Als Aeneas es ihm gekauft hatte, hatte er sich noch nicht einmal richtig bedankt dafür, weil es seiner Meinung nach einfach zur Grundausstattung eines Menschen gehörte.
    »Wie ist es oben?«, fragte ein kleines Mädchen neben ihm gerade und legte ihm vertrauensvoll die Hand auf den Arm. »Ist es sehr schön? Weht ein Wind?«
    Er musste erst einmal schlucken. »Es ist

Weitere Kostenlose Bücher