Die Suche nach den Sternen
andere mit Handel begannen und einige wenige zu Entdeckern und Glücksrittern wurden, die die natürlichen Rohstoffe der Schale erschlossen. Aus der Siedlung wurde eine Stadt, dann eine Großstadt, umgeben von immer weiter anschwellenden Vorstädten. Dann entstanden die ersten Satellitenstädte, deren Entfernungen von den zur Verfügung stehenden Transportmitteln abhingen.
Die neue Gesellschaft mußte die alten Fertigkeiten wieder entdecken: Ziegelbrennerei, Eisenerzeugung, Glasbläserei… Aber da jeder Einwanderer einen winzigen Teil der Traditionen und Erfahrungen seiner Heimatschale mit sich brachte, war die Entwicklung rasant. Sobald jemand herausfand, wie man die Rohmaterialien gewann, wartete bereits ein anderer darauf, sie weiter zu bearbeiten, und so explodierte der technische Fortschritt förmlich. Sobald die Papierherstellung angelaufen war, wurden Lehrbücher neu geschrieben; mit der Stahlerzeugung entstanden der Maschinenbau und der Transportsektor; mit der Kupfererzeugung fiel der Startschuß für die elektronische Industrie; und sobald der Funkverkehr zwischen den einzelnen Siedlungsgebieten etabliert war, beschleunigte der Datenaustausch die Entwicklung weiter.
Die Bevölkerung wuchs unablässig, nicht nur wegen des endlosen Stroms der Einwanderer, der aus den Exis-Röhren quoll, sondern auch wegen der hohen Geburtenrate. Ständig benötigte man neuen Lebensraum, und mit den ersten Flugzeugen konnte man riesige, unwirtliche Gebiete überbrücken. Der Kontakt mit anderen Völkern kam aber erst sehr viel später, wenn die Triebwerke und Speziallegierungen für Exosphärenschiffe entwickelt wurden; auf einer gigantischen Schale wie der des Plutos trennten selbst dann noch jahrelange Flugzeiten die Völker.
Diese und viele andere Gedanken rasten durch Ancors Kopf, als er die gigantischen Gebirge unter ihnen vermaß. Er fragte sich, wie weit die Siedler bereits vom Ankunftspunkt der Exis-Speiche vorgestoßen waren und ob sie bereits einen Weg gefunden hatten, die gewaltigen Berge zu überqueren. Er nahm an, daß selbst gewöhnliche Flugzeuge hochentwickelt sein mußten, um die benötigten Höhen und Entfernungen zu erreichen. Die einzigen Funksignale, die er auffing, kamen aus großer Ferne. Die Kolonie, die sie vorzufinden erwarteten, würde sich wahrscheinlich noch in der frühen, rapiden Phase ihrer Entwicklung befinden, und er brannte darauf, sie mit eigenen Augen zu sehen.
Kapitel 22
Ancors Stirn legte sich in tausend Falten, als sie sich nach drei Tagen Flug der Exis-Speiche näherten. Die rauhe Umwelt machte es wahrscheinlich, daß die Siedler sich nicht weit hatten ausbreiten können. Über das Alter der Kolonie und damit über ihr technisches Niveau konnten sie lediglich Spekulationen anstellen, aber Maq erwartete, ungefähr eine Million Kilometer entfernt von der Speiche auf die ersten bebauten Flächen zu stoßen. Die Shellback ging tiefer, um eine der gewaltigen Ebenen näher zu untersuchen. Das Land war fruchtbar, lag aber brach, und die einzigen größeren Lebewesen, die sie sichteten, waren große Herden büffelähnlicher Tiere. Sie fanden keinerlei Hinweise auf Menschen.
In anderthalbtausend Kilometern Entfernung von der Speiche wurde Ancor unruhig. Die einzigen Funksprüche, die sie auffingen, stammten von anderen, weit entfernten Gebieten der Schale. Selbst wenn die Siedler noch keine motorgetriebenen Fahrzeuge entwickelt hatten, hätten sie sich durch den Einsatz von Muskelkraft und Tragtieren mindestens bis an diesen Punkt ausbreiten sollen. Irgend etwas stimmte nicht. Er wies Cherry an, in den atmosphärischen Flug überzugehen, und sie suchten die Gebirgsausläufer sorgfältig nach Siedlungen und Städten ab, ohne Erfolg.
Dann dämmerte ihm die grausame Wahrheit. Die Exis-Speiche durchstieß die Schale an einer Stelle, an der ein kahles, granitenes Gebirge in den Himmel ragte. Zeus hatte den Speichenterminal auf die Spitze eines weitläufigen, öden Plateaus in großer Höhe gesetzt. Ancor befahl, das Plateau zu umfliegen, in der Hoffnung, seine Befürchtungen widerlegen zu können, und weinte beinahe, als sie sich bestätigten. Es gab keinen Weg nach unten. Die Körper der Einwanderer türmten sich in den umgebenden Schluchten zu riesigen Haufen. Die unglücklichen Siedler irrten verwirrt und verängstigt über das Plateau, bis ihre Lebensmittelvorräte zur Neige gingen. Dann sprangen sie die senkrechten Felswände hinunter oder wurden von anderen gestoßen, um am Fuß
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