Die Sünde aber gebiert den Tod
ausgemachter Pechvogel. Als er die Pforte aufgeschlossen hat, hat ihn der Novizenmeister erwischt. Er kann nicht gut lügen, der Lodewig. Er hat dummes Zeug zusammengestammelt, warum er den Schlüssel an sich genommen hat, und jetzt erwartet ihn wieder ein Strafgericht vom Prior. Darum habe ich ihm geraten, er solle sich zuerst an Pater Ivo wenden. Weil – Ihr habt das schon ganz richtig bemerkt – er grollt zwar furchtbar, hilft einem dann aber aus der Scheiße.«
»So wörtlich sagte ich es wohl nicht, aber sinngemäß.« Ein Hauch von einem Lächeln huschte über Fredegars trauriges Gesicht.
»Frau Almut, weil Ihr das so gesagt habt, darum wollte ich Pater Ivo auch wegen meines Verdachts sprechen, wisst Ihr. Ich dachte, besser erst mit ihm, als mit meinem Herrn.«
»Und hat Pater Ivo euch beiden geholfen?«
»Das ist ja das Problem: Pater Ivo ist fort.«
»Was?«
Scharf kam diese Frage aus Almuts Mund.
»Seit Donnerstag hat ihn niemand mehr gesehen. Es heißt, er habe Euch aufgesucht...«
»Und ich habe ihm zur Flucht aus dem Kloster verholfen, oder was?«
»Nein. Ich glaube, es ist schlimmer, Frau Almut.« »Mein Gott, was ist denn passiert?«
»Der Prior hasst Pater Ivo.«
»So einen Eindruck hatte ich auch schon mal. Er hat mich einmal der Unzucht mit ihm bezichtigt!«
»Der Schwachkopf!«
»Ein bösartiger, hinterhältiger Pedant ist er – ein Schwachkopf, fürchte ich, ist er nicht. Was kann er aber mit Pater Ivos Verschwinden zu tun haben?«
»Ich glaube, er hat ihm eine Buße auferlegt. Eine entsetzlich harte. Weil er nämlich ein Schreiben Eurer Meisterin an den Pater abgefangen hat.«
»Himmel, das ich selbst geschrieben und ihn darin um ein Treffen gebeten habe. Das muss ihn äußerst misstrauisch gemacht haben, diesen essigsauren Philister. Aber eine Buße – da verschwindet ein Mönch doch nicht einfach?«
»O doch, Frau Almut. Es gibt einen Kerker im Kloster.Lodewig hat erzählt, die anderen Novizen haben ihn mal da eingesperrt. Lodewig ist so einer, dem man solche Streiche spielt. Es muss entsetzlich dort unten sein. Manche Mönche gehen dort runter, wenn sie sich selbst strafen wollen.«
»Was heißt das?«
»Geißeln.«
»Glaubst du, der Prior hat Pater Ivo aufgetragen, sich zu geißeln?«
»Könnte das nicht sein?«
»Pater Ivo hält nichts von solchen Strafen. Das hat er zumindest mir gegenüber einmal behauptet. Ich glaube nicht, dass er... Aber er ist fort.«
Der Traum der Nacht kam ihr wieder in den Sinn, und sie verstand.
»Fredegar, warum bist du eigentlich zu mir gekommen? Du hättest besser deinen Herrn gefragt, ob er sich nicht nach Pater Ivo erkundigen kann.«
»Nein, das ging doch nicht. Wegen Frau Bettina. Ich meine, ich hätte ihm das kaum erklären können. Ihr hingegen wisst von Frau Bettina. Und... na ja, Ihr seid doch so ähnlich wie Pater Ivo. Ich dachte, Ihr könnt auch jemandem aus der Sch... jemandem helfen. Ich meine, Pater Ivo, wenn er wirklich im Kerker ist.«
Almut nickte beklommen und fragte: »Wie komme ich in das Kloster?«
»Ihr? Durch die Eingangspforte.«
»Ohne dass mich der Prior sieht.«
Fredegar grinste plötzlich. »Durch die Priesterpforte in Brigiden. Sie ist vorne in der Sakristei. Ich lasse Euch ein. Was wollt Ihr aber im Kloster tun?«
»Das sehen wir dann, wenn ich dort bin. Lauf schon mal vor, ich muss mir noch etwas Warmes anziehen.«
»Ja, und verhüllt Euer Gesicht, Frau Almut. Ihr glüht wie ein Racheengel.«
»Ach, in der Tat?«
Almut setzte sich unerbittlich über alle Regeln hinweg. Sie verließ, ohne einer Menschenseele zu sagen, wohin sie ging, den Konvent und eilte mit großen Schritten zum Kloster. Es war etwas wärmer geworden und hatte wieder zu schneien angefangen. Doch die Flocken, die ihr gerötetes Gesicht streiften, spürte sie nicht. Sie sah auch nicht die Gestalt, die auf sie zulief, und sie hätte Pitter beinahe umgerannt.
»Frau Almut, wartet. Ich wollte zu Euch!« »Entschuldige, Pitter, ich hab es verdammt eilig. Später.«
»Es ist aber wichtig, Frau Almut. Ich habe herausgefunden...«
»Ich muss ins Kloster, Pitter, alles andere kann warten!«
Pitter rannte fast, um an ihrer Seite zu bleiben. »Zu Groß Sankt Martin?«
»Ja. Es scheint etwas Übles dort im Gange zu sein.« »Das glaube ich auch. Ich komme mit.«
Almut blieb abrupt stehen.
»Ja, Pitter, komm mit. Ich vermute, ich kann dabei deine Unterstützung gebrauchen. Du hast mir schon einmal aus der Patsche geholfen. Das scheint
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