Die Sünde aber gebiert den Tod
faltete Almut die Hände und senkte den Blick. Aber sie sammelte sich und versuchte, die rechten Worte zu finden.
»Es begann mit dem Kind, Vater, wie Ihr wisst.« Und sie erzählte, was sie nach und nach herausgefunden hatte. Mit wachsender Bestürzung hörte Gero von Bachem zu, als sie von der Toten berichtete, die sich als die verschleierte Frau im Gasthof zum Adler entpuppte,und deren Kopf in dem Korb lag, den Pater Ivo vor zwei Tagen ins Kloster mitgenommen hatte.
»Sie ist, verzeiht, Herr Gero, eine Dame, die Ihr kennt. Und es ...« Sie biss sich auf die Unterlippe.
»Die ich kenne, Frau Almut? Warum hat man mir das nicht erzählt?«
»Weil wir uns lange unsicher waren. Bis wir den Beweis fanden.«
»Wer ist es, nun sagt es schon!«
»Bettina de Benasis wurde hier im Kloster enthauptet aufgefunden.«
»Nein!« Der Ritter war blass geworden und starrte sie an. »Unmöglich, sie ist in Bonn, am Hof des Erzbischofs!«
»Ich fürchte, sie hat ihn verlassen. Sie und ihr Kind trafen kurz vor dem Christfest hier in Köln ein. Sie verließ den Gasthof in der Christnacht. In jener Nacht, in der das Kind hier gefunden wurde.«
»Das ist unmöglich. Woher wollt Ihr das wissen?« »Das Kind, Herr Gero, trägt ein Feuermal auf der rechten Wange.«
»Das ist kein Beweis!«
»Der Kopf der Toten trägt das nämliche.« Almut legte die Hände vor das Gesicht. »Ich wollte Euch diese Nachricht nicht überbringen, Herr Gero. Es tut mir so Leid.«
Der Ritter schwieg, tief betroffen, und Theodoricus sah Almut nachdenklich an.
»Ihr wisst viel, Frau Begine. Auch über die Lage des Ritters?«
»Ich weiß von der Feme, ja. Fredegar hat es mir heute – o mein Gott, es ist erst so kurze Zeit her, seit er zu mir gekommen ist.«
Sehr leise fragte der Abt sie dann: »Wo, Frau Almut, befindet sich jetzt der Korb und das Beweisstück?«
»Pater Ivo wollte mit dem Ritter sprechen und es dann zum Vogt bringen, aber ich fürchte, dazu ist er nicht mehr gekommen. Ich kann Euch über den Verbleib nichts sagen. Fragt Pater Ivo, wenn er wieder in der Lage ist, Euch zu antworten. Oder Euren Prior.«
Wieder stand der Abt auf und ging mit mühsamen Schritten im Zimmer auf und ab, die Hände in den Rücken gedrückt.
»Was für ein Leid quält Euch?«, fragte Almut, als er stöhnend am Lesepult stehen blieb.
»Ein Stein in den Nieren, diagnostizierte unser Medicus.«
»Dann solltet Ihr viel trinken und Euch bewegen, nicht ruhen.«
»Er verordnete mir strenge Ruhe.« Doch dann huschte ein seltsamer Ausdruck über sein Gesicht. »Ich werde noch einmal mit ihm sprechen müssen.«
»Ich möchte auch mit ihm sprechen, ehrwürdiger Vater. Ich möchte wissen, wie es um Pater Ivo steht. Bitte, darf ich zu ihm gehen?«
Doch statt ihr zu antworten, wandte sich der Abt an den Ritter: »Seid so gut und lasst uns für eine Weile alleine, Herr Gero. Geht und betet für die Seele jener armen Frau. Wir sprechen uns später.«
»Ja.« Knapp nickte der Ritter, sah dann aber noch einmal zu Almut hin. Er wirkte wie betäubt. »Das Kind...?«
»Ist sicher in der Obhut meiner Eltern. Ihm mangelt es an nichts, wie ich meine Stiefmutter kenne. Weder an Wärme noch an Essen oder an Zärtlichkeit.«
»Danke. Erlaubt, dass ich mich entferne.«
Als die Tür hinter ihm zugefallen war, stellte Theodoricusfest: »Ihr sorgt Euch sehr um unseren Pater, Frau Almut.«
»Ja, das tue ich. Warum auch nicht? Sonst scheint sich ja niemand um ihn zu kümmern!«
»Er hat Euch einmal als ein reichlich widersetzliches Weib bezeichnet. Ich merke schon, sein Urteil ist unbestechlich.«
»Hätte ich mich nicht um ihn gesorgt, Vater, hinge er jetzt noch in diesem Kerker am Kreuz!«
»Sehr richtig. Darum frage ich Euch auch nicht, wie Ihr dorthin gelangt seid. Aber eines müsst Ihr mir aufrichtig beantworten: Warum wart Ihr dort?«
»Fredegar suchte mich auf und erzählte von Pater Ivos Verschwinden.«
»Es hätte alle möglichen Gründe haben können, Kind.«
Almut hob langsam die Augen und sah den Abt an. Er erwiderte ihren Blick mit ruhiger Beharrlichkeit.
»Ich habe heute Nacht etwas geträumt, Vater, das mir Angst machte. Es... es stand irgendwie im Zusammenhang mit Pater Ivo.«
Theodoricus sah sie lange mit einem unergründlichen Ausdruck auf dem Gesicht an. Beinahe hätte sie Angst vor ihm bekommen, vor diesem behäbigen, phlegmatischen Abt, der die verborgensten Gefühle in ihr zu erahnen schien. Doch dann hob dieser seine Hände und sprach: »So geht denn
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