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Die Sünde der Brüder

Die Sünde der Brüder

Titel: Die Sünde der Brüder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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Schönheit gewesen, und schließlich war sie General Stanley - seinerseits seit Jahren Witwer - begegnet und hatte ihn geheiratet.
    »Ich glaube, sie waren sehr glücklich«, hatte seine Mutter leidenschaftslos gesagt. »Aber sie ist nur wenige Monate nach der Hochzeit gestorben - an der Schwindsucht, glaube ich.«
    Während dieses Gesprächs hatte sie nachdenklich in den Spiegel geblickt und den Kopf hin und her gedreht, während sie sich mit halb geschlossenen Augen kritisch betrachtete.
    »Du bist auch eine Schönheit, Mutter«, hatte er gesagt, amüsiert und gerührt zugleich über etwas, was er als ungewöhnlichen Ausdruck des Zweifels betrachtete.
    »Das stimmt«, sagte sie unverblümt und legte den Spiegel hin. »Für mein Alter sehe ich bemerkenswert gut aus. Allerdings glaube ich, dass der General eher meine unverwüstliche Gesundheit schätzt als die Tatsache, dass ich noch alle Zähne und eine glatte Haut habe. Er hat zwei kranke Ehefrauen unter die Erde gebracht, und das hat ihn sehr getroffen.«
    Allerdings hatte seine Mutter ebenfalls zwei Ehemänner unter die Erde gebracht - doch das erwähnte sie nicht, und auch er sprach es nicht an.
    Jetzt stellte er die üblichen geselligen Fragen - war Wainwright häufig zu Gast bei Lady Jonas’ Salons ? Grey hatte das Vergnügen noch nicht gehabt; wie gefiel Mr. Wainwright das Publikum dort, verglichen mit ähnlichen Versammlungen? -
und dachte unterdessen, dass die verstorbene Lady Stanley - ihrem Sohn nach zu urteilen - in der Tat eine große Schönheit gewesen sein musste.
    Und ich bezweifle sehr, dass ich der erste Mann bin, dem das auffällt , dachte er. Ob es wohl jemanden gibt …?
    Während er zögerte, sah ihm Percy direkt in die Augen und stellte die Frage, die auch ihm auf der Zunge lag.
    »Seid Ihr oft dort? Im Lavender House?«
    Ihm wurde ein wenig leichter ums Herz, denn die Tatsache, dass die Frage gestellt wurde, beantwortete sie gleichzeitig auch, zumindest, was ihn betraf; wäre Wainwright nämlich ein häufiger Gast im Lavender House, würde er wissen, dass Grey es nicht war.
    »Nein«, sagte er und lächelte erneut. »Ich war jahrelang nicht mehr dort gewesen, als ich Euch dort begegnet bin.«
    »Das war mein erster - und einziger - Besuch«, bekannte Percy. Er senkte den Blick in seine Kaffeetasse. »Ein… Freund wollte mich dort einführen, weil er glaubte, dass ich dort Geistesverwandte finden würde.«
    »Und habt Ihr sie gefunden?«
    Percy Wainwright hatte lange dunkle Wimpern. Diese hoben sich langsam und gaben Grey den Blick auf seine warmen Sherryaugen frei, die sich nun durch einen Ausdruck der Belustigung noch weiter erwärmten.
    »Oh, ja«, sagte Percy. »Ihr nicht?«
    Grey spürte, wie ihm das Blut ins Gesicht stieg, und hob den Kaffee an seinen Mund, um die Wärme der Flüssigkeit als Tarnung zu benutzen.
    »Die Suche nach … Geistesverwandten war nicht der Zweck meines Besuchs«, sagte er vorsichtig und senkte die Tasse wieder. »Ich war dort, weil ich den Inhaber in einer Privatsache befragen musste. Allerdings«, fügte er beiläufig hinzu, »wäre man schließlich ein Narr, wenn man ein Geldstück ignoriert, das vor einem auf der Straße liegt, nur weil man nicht auf der Suche danach war.« Er warf Percy einen raschen Blick zu, und dieser lachte entzückt auf.

    Grey ließ sich von seiner Heiterkeit anstecken und konnte es plötzlich nicht mehr ertragen, in einem geschlossenen Raum zu sitzen.
    »Wollen wir gehen?«
    Percy trank seinen Kaffee in einem Zug aus und erhob sich. Noch während er mit der einen Hand seine Tasse abstellte, griff er mit der anderen nach seinem Umhang.
    Die Wände im Balboa waren zur Erbauung der Gäste mit Notizen tapeziert - Mr. Hogarths Stichzyklus mit dem Titel »Marriage à la Mode« zog sich an den Wänden entlang, doch die einzelnen Blätter waren von mehreren Papierschichten umgeben - und teilweise verhüllt -, die sich aus Flugschriften, persönlichen Kommuniqués und Suchanzeigen aller Art zusammensetzten - von sechs Tonnen Werkblei oder einer Schiffsladung Neger bis hin zu einem Firmendirektor von gutem Namen und solider Finanzlage für die Leitung eines jungen Unternehmens, das Herrenbedarf verkaufte; ob es sich dabei um Schnupftabaksdosen, Strümpfe oder Kondome handelte, wurde nicht näher erläutert.
    Doch als er auf dem Weg zur Tür die jüngsten Notizen überflog, fiel Greys Blick auf einen vertrauten Namen in der Überschrift einer frisch gedruckten Flugschrift. TOT AUFGEFUNDEN

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