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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Sommertag fünfundzwanzig Jahre früher gestellt werden können. Spielte die Verspätung um ein Vierteljahrhundert eine Rolle? Wenn ja, so schob Janet jeden Gedanken an die Konsequenzen, die sich aus ihrer beider vielen Umwegen bis hin zu diesem Moment ergeben mochten, beiseite.

    »Ich denke«, sagte sie mit etwas kratziger, bemüht sachlicher Stimme, »ich denke, das könnte ich tun.«
     
     
    Es war einfach wie verhext. Alles hatte so gut begonnen, alles schien bestens zu laufen. In einem Rutsch von Hamburg bis Freiburg, noch dazu in Gesellschaft einer netten, jungen Frau, angenehmer hätte es nicht sein können. Aber dann stagnierten die Dinge, und alles schien sich gegen Dana zu verschwören.
    Sie hatte am Abend zuvor auf dem Rastplatz, an dem Patricia sie abgesetzt hatte, sehr schnell einen Lastwagenfahrer gefunden, der nach Marseille wollte und bereit war, sie mitzunehmen. Er hatte aber erst noch essen wollen, und es wurde dunkel, bis sie losfuhren. In der Nacht, etwa fünfzehn Kilometer jenseits der französischen Grenze, hörten sie beide ein eigenartiges schleifendes Geräusch, als dessen Ursache sich ein platter Reifen entpuppte. Stundenlang, wie es ihr vorkam, mußte Dana dem Fahrer beim Radwechseln assistieren, wobei sie ständig angeschnauzt wurde, weil sie angeblich alles falsch machte und zu nichts zu gebrauchen war. Die Laune des Fahrers verschlechterte sich von Minute zu Minute, und schließlich hatte auch Dana keine Lust mehr, sich ständig beschimpfen zu lassen. Sie begehrte auf, und im Nu befanden sie sich in einem heftigen Streit, der damit endete, daß der Fahrer sich weigerte, sie weiterhin mitzunehmen, wutentbrannt in seine Kabine kletterte und schimpfend davonfuhr. Dana blieb mit ölverschmierten Händen und einem großen, schwarzen Schmutzfleck auf der Nase auf der nächtlichen Landstraße zurück.
    Es handelte sich um eine besonders einsame Landstraße. Im Verlauf der folgenden drei Stunden kamen genau fünf Autos vorbei, von denen ein einziges anhielt. Der Fahrer war aber so eindeutig sturzbetrunken und
unfähig, mehr als ein paar lallende Laute hervorzubringen, daß es Dana ratsam schien, ein so hohes Risiko trotz allem nicht einzugehen. Sie trottete zu Fuß durch die Nacht, dachte an das Sofa, das Patricia ihr angeboten hatte, und fluchte leise vor sich hin. Wenigstens blieb die Luft warm, und es regnete nicht, aber sie fühlte sich zunehmend erschöpft. Irgendwann kauerte sie sich, an den Stamm eines Ahornbaumes gelehnt, ins Gras und nickte für ein paar Stunden ein. Sie erwachte vom durchdringenden Morgengezwitschere der Vögel und von der unangenehmen Feuchtigkeit des Taus auf ihrer Kleidung.
    Mit steifen Gliedern schlich sie erneut am Straßenrand entlang. Die Gegend belebte sich zusehends, allerdings vor allem mit Autos, die in die andere Richtung unterwegs waren. Endlich hielt ein grauhaariger Mann, der sie mit in das nächste Dorf nahm. Es war ein winziges Dorf irgendwo in Burgund, ein paar Häuser, ein paar Gehöfte. Es gab einen kleinen Gasthof, in dem sich Dana bei einer unausgeschlafenen, mürrischen Kellnerin ein Frühstück bestellte, daß aus lauwarmem Milchkaffee und zwei harten Croissants bestand. Während sie eine Zigarette rauchte, begann es draußen zu regnen. Im Nu sah das Dorf noch trostloser und verlassener aus. Kein Mensch ließ sich blicken, nur eine schwarze Katze überquerte langsam die Straße, und das auch noch von links nach rechts.
    Dana zahlte und verließ den Gasthof. Der Regen strömte jetzt nur so aus den Wolken, aber zumindest blieb es trotzdem einigermaßen warm. Auf gut Glück lief Dana die Straße entlang, die nach kurzer Zeit aus dem Dorf hinausführte. Dann und wann kam ein Auto vorbei. Als endlich eines hielt, war sie schon völlig durchweicht und absolut mutlos. Es dauerte eine ganze Weile, bis sie merkte, daß mit dem Mann, der sie hatte einsteigen lassen, etwas nicht stimmte.

    Es war keineswegs so, daß irgend etwas an ihm gleich ins Auge sprang, etwas Ungewöhnliches oder Bedenkliches. Wenn überhaupt etwas an ihm auffiel, dann seine völlige Unauffälligkeit. Er mochte Mitte bis Ende Dreißig sein, hatte ein schmales, leicht gebräuntes Gesicht, etwas zu volle Lippen und ein römisches Profil. Seine schütteren, aschblonden Haare waren zurückgestrichen und wellten sich, um ein paar Millimeter zu lang, im Nacken nach außen. Die Augen wirkten hinter den dicken Brillengläsern überdimensional vergrößert - dieser deutlich wahrnehmbare

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