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Die Suende der Engel

Die Suende der Engel

Titel: Die Suende der Engel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlotte Link
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Klimawechsel. Jemand aus der Familie hat womöglich das bayerische Klima nicht gut vertragen...«
    »Es wäre einfach, das herauszufinden«, sagte Karen.
    Michael spürte ein tiefes Widerstreben. Es war für ihn eine abstoßende Vorstellung, im Privatleben anderer Leute herumzuschnüffeln. Außerdem kam er sich albern vor. Zugleich aber war da diese pochende Unruhe in ihm, diese beinahe überwältigende Angst, seinem Kind könne etwas zugestoßen sein.
    »Wir könnten nach München fliegen und recherchieren«, bot Karen an, »ich habe da einen sehr guten Freund, der über wirkliche tolle Kontakte verfügt.«
    »Könnten Sie ihn nicht anrufen?«

    »Es ist besser, vor Ort zu sein. Vielleicht schaffen wir es, noch heute nachmittag einen Flug zu kriegen.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Michael überrumpelt. Ganz offensichtlich hatte Karen alles bereits genau geplant. Und wie sich herausstellte, brauchte sie ihn dringend für die Realisierung ihrer Pläne. Sehr umständlich brachte sie schließlich zum Ausdruck, daß sie weder Flug noch Hotel zu bezahlen in der Lage war.
    »Wenn Sie mir aushelfen... ich würde Ihnen nach und nach alles zurückzahlen«, sagte sie.
    Michael machte sich keine Illusionen. Er würde nie auch nur eine Mark wiedersehen, aber das war auch gar nicht das Problem. Was sie vorschlug, lag ihm einfach nicht. Es war ihm zuwider. Er haßte es. Es gehörte zu einer anderen Lebeneinstellung, die mit seiner nichts zu tun hatte.
    Es war das erste Mal in seinem Leben, daß er von einer Angst so gepackt war, daß er seine Prinzipien über Bord warf und sich entschloß, etwas zu tun, was er unter anderen Umständen um keinen Peis getan hätte.
    Er verabredete sich mit der ihm zutiefst suspekten Karen Graph für einen gemeinsamen Flug nach München.
    Danach rief er in seinem Büro an und entschuldigte sein Fernbleiben für den Rest des Tages sowie für den nächsten Tag mit schweren familiären Problemen.
    Das, so sagte er sich zum Trost, war zumindest nicht gelogen.
    Cambridge hatte sich in all den Jahren nicht verändert, und, so dachte Janet, es würde sich vermutlich überhaupt niemals ändern. Der Atem einer traditionsbewußten, alten Werten und einer großen Geschichte verpflichteten Elitegesellschaft wehte zwischen den prunkvollen Collegebauten und über den gepflegten Rasenflächen der weitläufigen
Parkanlagen. Viele Studenten trugen schwarze Talare und eilten über das Kopfsteinpflaster der Gassen wie seltsam anmutende Relikte einer vergangenen Epoche. Eine Welt für sich, und Janet, die so lange in dieser Welt beheimatet gewesen war, empfand Rührung und Erstaunen über die Unwandelbarkeit der Dinge.
    Am Abend hatten sie in einem Pub gegessen, in dem sie auch früher oft gewesen waren, und sie waren förmlich versunken in nostalgischen Gefühlen. Dazu hatten die Dunkelheit vor den Fenstern, die Kerzen auf den Tischen und die Tatsache, daß es hier noch genauso roch wie früher, beigetragen. Das Tageslicht hingegen torpedierte in seiner Klarheit jeden weiteren Versuch, die Vergangenheit beschönigend zu verschleiern. Als sie am Nachmittag durch den Park des St. John’s College schlenderten, einander vor der Bridge of Sighs photographierten und den Studenten beim Staken ihrer Boote auf der Cam zusahen, da dachte Janet auch mit Bitterkeit zurück und fand, es sei insgesamt keine gute Idee von Andrew gewesen, hierherzukommen.
    Sie hatte als junges Mädchen keine schöne Zeit hier in Cambridge gehabt, sonst wäre sie auch nicht mit gerade achtzehn Jahren Hals über Kopf ins Ausland geflüchtet. Sie hatte zwei Jahre lang-die ihr wie ein ganzes Jahrzehnt erschienen - in einem ständigen Wechselbad der Gefühle gelebt: wunderbare Momente, romantisch und unvergeßlich, wie sie zur ersten Liebe gehören; und gleich darauf Phasen von Schmerz und Qual, wenn Janet wieder einmal feststellen mußte, daß sie nicht die einzige Frau in Andrews Leben war. Von irgendeinem Zeitpunkt an hatte sie sich selbst in den guten Augenblicken nicht mehr wohl gefühlt, weil ihr Vertrauen zerstört gewesen war und sie keinerlei Sicherheit mehr empfinden konnte. Sie hatte einen Anlauf nach dem anderen gemacht, die Beziehung
zu beenden, um jedesmal auf der Stelle rückfällig zu werden, wenn Andrew sie in die Arme nahm, lachte und endlich Besserung gelobte. Irgendwann wußte sie, daß eine Stadt, ein Land zu klein war für sie beide. Die kleine Janet Hamilton, zu schüchtern und zu behütet, als daß sie es bis dahin gewagt hätte,

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